Bundesrat Stenographisches Protokoll 651. Sitzung / Seite 67

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sich weit über 60 Prozent bewegt. Ich denke, daß diese sehr positiven Erfahrungen zum Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland auch für uns von Interesse sind.

In Österreich gibt es seit einigen Jahren den außergerichtlichen Tatausgleich bei Jugendlichen – diesen haben Sie bereits angesprochen –, und es hat auch den Modellversuch außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene gegeben, bei dem ebenfalls bereits die Möglichkeit bestanden hat, sich über dessen Auswirkungen zu informieren.

Meines Erachtens hat das Strafrecht im wesentlichen drei große Hauptaufgaben: zum einen –das steht nicht zufälligerweise an der Spitze –, Hilfe für die Opfer zu bringen, zum zweiten, die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation zu erreichen, und zum dritten, dem Täter sein Unrecht vor Augen zu führen. Ich meine, in all diesen drei großen wichtigen Bereichen hat die Vorlage Verbesserungen gebracht. Die Opfer bekommen eine stärkere, eine bessere Stellung. Bisher waren die Opfer im Strafprozeß begrenzt auf die Funktion des Zeugen. Jetzt gibt es die Möglichkeit, daß auch die Opfer stärker in das gesamte Geschehen miteinbezogen werden. Das heißt, daß der Opferschutz auch in dieser neuen Strafprozeßnovelle bessere Möglichkeiten gefunden hat und die Frage der Wiedergutmachung stärker ausgeprägt ist.

Die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation wird dadurch erreicht, daß die Rückfallquoten reduziert werden. Auch in diesem Fall zeigen Studien aus dem Ausland, daß es durchaus möglich war, durch die Diversion und die damit verbundene Betreuung, zum Beispiel auch durch Sozialarbeiter, Verbesserungen hinsichtlich der Rückfallquote zu erzielen.

Die Handlung bleibt aber strafbar. Deshalb wird dem Täter sein ausgeübtes Unrecht weiterhin vor Augen geführt. Das ist auch der Grund, warum ich hier kein Abgehen von unserer bisherigen Praxis in der Strafprozeßordnung erkennen kann. Ich meine, daß die Möglichkeiten, die diese Reform bringt, nämlich flexibler auch aus der Sicht der Richter, der Staatsanwälte vorzugehen, insbesondere was die Festsetzung der Wiedergutmachung betrifft, ein großer Vorteil sind. Ich denke, gemeinnützige Arbeiten, Geldbußen, Probezeiten, der außergerichtliche Tatausgleich plus Schadenersatz sind wirkungsvolle Instrumente, um Täter von künftigen Straftaten abzuhalten.

Diese Maßnahmen sind nur setzbar, wenn die Schuld gering ist, das heißt also, nicht schwer ist, wie das der Gesetzesvorlage auch zu entnehmen ist, wenn es sich um die Zuständigkeit von Einzelrichtern handelt und wenn sie geeignet sind, den Täter von künftigen Straftaten abzu-halten. Nur dann hat die Diversion auch tatsächlich Funktion und Möglichkeiten einzugreifen, und das halte ich für gut und richtig.

Damit aber Wiederholungstäter diese Maßnahmen nicht immer wieder in Anspruch nehmen können, gibt es das Diversionsregister. Kollege Böhm! Sie haben davon gesprochen, daß es keine Aufzeichnungen über die Fragen der Diversion gibt. Im Diversionsregister ist dies festgelegt, und es wird immerhin fünf Jahre hindurch registriert, wer Maßnahmen aus dem Bereich der Diversion in Anspruch nimmt. (Bundesrat Dr. Böhm: Intern schon!) Ja, aber das ist doch eine sehr wichtige Maßnahme, um festzuhalten, wer derartige Maßnahmen in Anspruch nimmt. (Bundesminister Dr. Michalek: Die Strafbehörden wissen es! – Bundesrat Dr. Böhm: Der Dienstgeber nicht!)

Der außergerichtliche Tatausgleich und die anderen Formen der Diversion geben Richtern und Staatsanwälten die Möglichkeit, im unteren Kriminalitätsbereich flexibler und effizienter zu reagieren. Das heißt, Ihre Frage, wer dann darüber entscheidet, welche Maßnahmen getroffen werden, ist auch, wie ich meine, in der Vorlage damit beantwortet, daß dies bei Richtern und Staatsanwälten liegt. Unser aller gemeinsames Vertrauen in die österreichische Justiz setze ich doch voraus.

Die Regeln des Strafverfahrens bleiben aber selbstverständlich bestehen. Das heißt, wenn die Vorschläge des Beschuldigten von Opfer oder Staatsanwalt nicht akzeptiert werden, kommt eine Diversion nicht zustande, und es beginnt das ganz gewöhnliche ordentliche Strafverfahren. Unter diesen Voraussetzungen, nämlich eines drohenden Strafverfahrens mit einer entsprechenden Verurteilung und einer entsprechenden Vorstrafe, ist ein Beschuldigter, wie ich meine,


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