Bundesrat Stenographisches Protokoll 651. Sitzung / Seite 68

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auch eher bereit, einen Schadensausgleich vorzunehmen. Ich denke entgegen Ihrer Meinung, daß die Androhung auch der ganz normalen Möglichkeiten, die das Strafrecht vorsieht, den Täter oder den potentiellen Täter sehr schnell zum Einlenken zwingen wird.

Wenn Sie Beispiele vorgelesen haben, die allerdings meiner Meinung nach sehr theoretisch begründet sind, dann darf man nicht außer acht lassen, daß in der Praxis auch der individuelle Umstand gewertet wird. Ein sicher gängiges Beispiel ist der Ladendiebstahl, wo es bisher durchaus üblich war, daß ein Täter mit einer bedingten Geldstrafe davongekommen ist. Also ich wage zu behaupten, daß der Druck auf den Täter ein marginaler war, während heute immerhin aufgrund dieser Möglichkeiten der Täter auch zu einer entsprechenden Wiedergutmachung herangezogen wird und auch einen entsprechenden Schadenersatz zu leisten hat, und zwar nicht nur für den Wert des gestohlenen Gegenstandes, sondern darüber hinaus auch für jene Kosten, die durch seine Festnahme entstanden sind, zum Beispiel durch Kaufhausdetektive und vieles mehr. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich war ausdrücklich dafür bei Ladendiebstahl!)

Kollege Böhm! Zudem muß man auch bedenken, daß ein sehr großer Anteil der Delikte, für deren Wiedergutmachung Diversion in Frage kommt, in einem sehr engen emotionalen Verhältnis begangen werden. Mehr als die Hälfte all dieser Delikte werden im Verwandten- und Bekanntenkreis begangen. Das heißt, es handelt sich um Konfliktfälle, die einen sehr engen Opfer-Täter-Ausgleich mit sich bringen, und ich gehe davon aus, daß eine Diversion mit dazu beitragen kann, daß sich derartige Konfliktfälle nicht mehr wiederholen beziehungsweise aufgelöst werden. In diesem Fall ist auch, wie ich meine, die Kooperation der Justizbehörden mit den Sozialarbeitern eine sehr wichtige Aufgabe und Funktion und hat sich in den verschiedensten Modellversuchen bereits als sehr positiv herausgestellt.

Das heißt, ich denke, daß es durch diese neuen Möglichkeiten, die die vorliegende Novelle mit sich bringt, zu Verbesserungen auch im Umgang der Menschen in unserer Gesellschaft kommt, nicht nur in der wegfallenden Stigmatisierung der potentiellen Täter, sondern vor allem in der besseren Betreuung der Opfer – das liegt uns ganz besonders am Herzen –, durch die Wiedergutmachung, durch das Erbringen des Schadenersatzes.

Wir werden aus den vielen genannten Gründen dieser bedeutenden Innovation der Strafrechtspflege unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

12.50

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Unter Diversion, außergerichtlichem Tatausgleich, versteht man alle Formen der staatlichen Reaktion auf strafbares Verhalten, welche den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines solchen ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigten ermöglichen. – So steht es auch in den allgemeinen Erläuterungen. Wenn man hier allerdings die Gegenpole abwägt, dann wird ein Punkt geschwächt, nämlich die staatliche Reaktion.

Es ist richtig, Ausgangspunkt für die Diversionsüberlegungen war zunächst der berechtigte Wunsch – das hat auch seinerzeit der Bundesminister für Justiz Dr. Ofner hier dargetan – nach einer verstärkten Einbeziehung der durch Straftaten in ihren Rechten verletzten Personen in das Strafverfahren und vor allem nach der Betonung des Aspekts der Wiedergutmachung bei strafrechtlichem Rechtsschutz. Das ist gut und richtig.

Aber, meine Damen und Herren, dieses Instrumentarium hat die derzeitige Strafprozeßordnung gleichfalls beinhaltet. Die Möglichkeit der Verweisung auf den Zivilrechtsweg wurde deswegen eigentlich immer wieder in Anspruch genommen, weil die Richter aufgrund der Zahl der Fälle überfordert waren. Das war der eigentliche Hintergrund. Letztlich wäre jemand zur Wiedergutmachung verhalten gewesen. – Das ist der eine Bereich. Da hätte man also eine Novellierungsmöglichkeit finden können.


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