Bundesrat Stenographisches Protokoll 651. Sitzung / Seite 89

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ressorts keine ausreichende selbständige Nachfrageforschung, also eine Nachfrageforschung außerhalb der Kammer – man muß doch nicht immer nur die Kammer fragen –, durchgeführt.

Warum hat dann dieser Gesetzentwurf mehr als 230 Paragraphen? – Ganz einfach: Zirka ein Drittel dieses Gesetzes beschäftigt sich mit der Kammerorganisation, weitere etwa 30 Paragraphen mit diversen Verfahren durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Das bedeutet: Nahezu die Hälfte des Entwurfes eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes beschäftigt sich mit der kammermäßigen Einbindung der neuen und der bestehenden Berufe.

Interessant ist zum Beispiel § 100 WTBG. Darin geht es um die Aufhebung einer Suspen-dierung, welche durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder verfügt wird. Dieser § 100 sieht vor, daß Suspendierungen lediglich auf Antrag aufzuheben sind, wenn der diesbezügliche Grund nicht mehr gegeben ist.

Bei der ersten Durchsicht wird man sich denken: Warum soll das nicht so sein? – In Wirklichkeit aber bedeutet das, daß jener Standard, welcher zum Beispiel gemäß AVG gegeben ist, nämlich das Ex-offo-Prinzip von behördlichen Institutionen, in diesem Entwurf nicht angedacht wurde, also daß eine Behörde von sich aus tätig wird, wenn die Grundlage einer Entscheidung unzutreffend ist und dies auch amtsbekannt ist. Es wird zweifellos so sein, daß in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder jeder Suspendierungsgrund bei den Mitgliedern und auch der Wegfall der Suspendierungsgründe amtsbekannt ist.

Auch nicht angedacht und gewürdigt wurden die bereits bestehenden Berufsbilder – jedenfalls nicht in einer ausreichenden Art und Weise und vor allem nicht jenes der Steuerberater. Wo sind gleichzeitig die entsprechenden Befugniserweiterungen für Steuerberater vorgesehen?

Wir Freiheitlichen haben somit den Eindruck, daß dieser Gesetzentwurf zuwenig durchdacht ist und einer Ausdehnung des Kammerstaates mit Zwangsmitgliedschaften dient. Wir sind gegen Zwangsmitgliedschaften!

Wir Freiheitlichen werden daher gegen den vorliegenden Entwurf eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes sowie der diesbezüglichen Novellen der Gewerbeordnung und des Verwaltungsgerichtshofgesetzes stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.21

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

14.21

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin persönlich davon überzeugt, daß die heute vorliegende Novellierung des Wirtschaftstreuhandrechtes und der Gewerbeordnung in der Folge vielen hochqualifizierten ArbeitnehmerInnen im Bereich der Buchhaltung die große Chance bieten wird, sich selbständig zu machen oder als Freiberufler tätig zu werden. Ich glaube auch, daß vor allem jüngere bisher unselbständig tätig Gewesene diesen Schritt in die Unabhängigkeit machen und ihre Chance sicherlich zu nützen wissen werden.

Wir alle wissen, daß das Wirtschaftspotential und die Wirtschaftskraft der freien Berufe bereits in den vergangenen Jahren bis zu dreimal so hoch gewesen ist, wie dies dem durchschnittlichen Bruttonationalprodukt entsprochen hat. Ich glaube auch, daß vielen hier in diesem Haus bewußt ist, daß der Wettbewerb in der EU stärker geworden ist und daß von diesem Wettbewerb alle Branchen und Berufsgruppen erfaßt sind. Von diesem Wettbewerb können und dürfen auch Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder so wie bisher längerfristig nicht ausgenommen werden. Dieser Wettbewerb wird schon mittelfristig dazu führen – davon bin ich überzeugt –, daß sich die allgemein bekannt hohen Honorarnoten der Steuerberater und der Wirtschaftstreuhänder dem künftigen Wettbewerb werden anpassen müssen. Deren Leistungen und Angebote werden sicherlich sehr bald um vieles günstiger für die Konsumenten werden, und das wird dazu führen, daß auch jene deren Dienste werden in Anspruch nehmen können, die sich das bisher


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite