Bundesrat Stenographisches Protokoll 652. Sitzung / Seite 38

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weit – kennen, sind auch jetzt wieder denkbar. Solche Konflikte könnten durch die erfolgte Ausdehnung und Intensivierung der Krise am Balkan nunmehr auch verschärft zwischen Albanern und Serben in Österreich ausgetragen werden. Wir haben erlebt, wie Kurden europaweit einen geradezu generalstabsmäßig geplanten Aufstand organisierten, der die Sicherheitskräfte aller westeuropäischen Länder im wesentlichen überfordert hat.

Meine Damen und Herren! Weiters ist zu erwähnen, daß es bundesweit mehr als 1 000 Schutzobjekte gibt, die als potentielle Ziele von Anschlägen gelten. Ebenso bekannt ist auch, daß die Kräfte des Innenministeriums zur Sicherung dieser wichtigen, für die zivile bürgerliche Gesellschaft notwendigen Einrichtungen nicht ausreichen und daher bei allen Planungen immer auch auf das Bundesheer zurückgegriffen werden mußte, weshalb in den letzten Jahren dort verstärkt sogenannte Raumschutzübungen abgehalten wurden.

Aber auch das österreichische Bundesheer ist durch die neue Gliederung und vor allem durch die verringerte Heeresstruktur nach Aussagen des Bundesministers und auch von verantwortlichen Herren des Bundesministeriums nur mehr bedingt dazu in der Lage, zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen. So haben verschiedene Kommandanten darauf hingewiesen, daß das österreichische Bundesheer nach Umsetzung der neuen Heeresgliederung nur noch maximal 90 Kilometer der Grenze verteidigen beziehungsweise 900 Kilometer gegen eine Infiltration überwachen könne. Dem steht jedoch eine mehr als dreimal so lange Staatsgrenze, von der mindestens die Hälfte EU-Außengrenze ist, gegenüber!

Meine Damen und Herren! Diese Lücken werden umso deutlicher, wenn wir an jene Schutzobjekte denken, die ich vorhin angesprochen habe, da durch die neue Heeresgliederung nur noch neun bewegliche Jägerbataillone und 21 territorial gebundene Jägerbataillone zur Verfügung stehen. An eine Aufbietung von allfälligen Reserven, Herr Bundesminister, ist in Ihrer Heeresgliederung-Neu vorläufig nicht gedacht.

Diese Beispiele zeigen, daß eine ernstzunehmende Sicherung des österreichischen Territoriums und seiner Bürger bei erhöhten Konfliktintensitäten nur durch die Einbindung eines funktionierenden Bundesheeres – und das wiederum nur nach einer Mobilmachung – möglich ist. Daß dies nicht auszuschließen ist, zeigen sowohl die von mir schon angeführten Ereignisse der jüngsten Vergangenheit seit dem Jahre 1991 als auch die aktuellen Maßnahmen, die seit dem Ausbruch des Krieges in Jugoslawien notwendig geworden sind, zum Beispiel die Evakuierung europäischer Botschaften – darunter auch jener Österreichs – in Belgrad. Eine erhebliche Gefahr besteht unserer Ansicht nach daher sowohl in Österreich als auch für Österreicher im Ausland, unter diesen besonders für die SFOR-Soldaten in Bosnien.

Im Zusammenhang mit der Krise am Balkan ist aber auch die Rolle Österreichs und sein Verhalten innerhalb der demokratischen europäischen Staatengemeinschaft zu hinterfragen. So gibt es in der Bundesregierung und den einzelnen Ministerien nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sich Österreich in diesem konkreten Falle solidarisch beteiligen soll oder unter Verweis auf ein fehlendes UNO-Mandat seine Neutralität geltend machen sollte. – Aus Sicht der Freiheitlichen ist dazu festzuhalten, daß unsere Neutralität spätestens seit dem Beitritt zur EU und deren Weiterentwicklung durch den Amsterdamer Vertrag nicht nur politisch, sondern auch materiell nicht mehr gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Die verwirrten Stellungnahmen von Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung in der Öffentlichkeit haben jedoch, seit wir dieses Thema debattieren, nicht aufgehört. Wir haben einen Bundeskanzler, der die Maßnahmen der NATO auf der einen Seite als richtig und notwendig bezeichnet, auf der anderen Seite aber die Angst geltend macht, daß ihn jeder einfache Bürger zur Rechenschaft ziehen könne, sollte er sich aufgrund ebendieses Schlusses gegenüber diesen richtigen und notwendigen Maßnahmen der NATO nunmehr auch solidarisch verhalten. – Dieser Widerspruch ist auf längere Sicht weder der europäischen Öffentlichkeit noch der österreichischen Bevölkerung zumutbar!


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