Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 111

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16.11

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf in Beantwortung der Fragen 1 bis 13 wie folgt Stellung nehmen:

Lassen Sie mich vorerst einleitend die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der anstehenden Bestellung einer neuen Europäischen Kommission skizzieren. Der Rücktritt der gesamten Kommission am 15. März dieses Jahres als Reaktion auf den vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Weisenbericht wurde als dieser Situation angemessener Schritt allgemein begrüßt. Dieser Schritt bietet Gelegenheit zu einer umfassenden inhaltlichen, organisatorischen und nicht zuletzt personellen Erneuerung der Kommission. Die Europäische Union hat auch in dieser Phase ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Bereits am 24. März dieses Jahres haben die Staats- und Regierungschefs im Rahmen eines außerordentlichen Europäischen Rates Romano Prodi zum neuen Präsidenten der Europäischen Kommission designiert. Dieser bietet aufgrund seiner politischen und persönlichen Statur sowie seines bisherigen Berufsweges jede Garantie dafür, daß die angestrebte umfassende Reform der Europäischen Kommission tatsächlich rasch und vollständig erfolgen wird.

Wie Sie wissen, wird der Vertrag von Amsterdam am 1. Mai dieses Jahres in Kraft treten. (Bundesrat Konecny: Setzt doch das nicht voraus!) Dieser wird nicht zuletzt die demokratische Legitimation und damit auch die Autorität des Präsidenten der Europäischen Kommission erhöhen. So bedarf die Benennung des Präsidenten der Europäischen Kommission nunmehr der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sind im Rahmen ihres gestrigen informellen Zusammentreffens einvernehmlich darüber übereingekommen, daß die Benennung von Romano Prodi zum Präsidenten – unter Einhaltung dieses Verfahrens – so rasch als möglich erfolgen soll. Im Anschluß daran sieht der Vertrag von Amsterdam vor, daß die Regierungen der Mitgliedstaaten die übrigen Persönlichkeiten, die sie zu Mitgliedern der Kommission zu ernennen beabsichtigen, im Einvernehmen mit dem designierten Präsidenten benennen.

Romano Prodi hat beim gestrigen Zusammentreffen mit den Staats- und Regierungschefs klargemacht, daß er bei der Wahrnehmung seiner diesbezüglichen Rechte darauf dringen wird, daß die bestgeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zum Wohle der Union Berücksichtigung finden werden. Schließlich werden sich der Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission, die auf diese Weise benannt worden sind, als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments zu stellen haben. Auch da besteht Einvernehmen darüber, daß dieses Bestellungsverfahren so rasch als möglich vonstatten gehen soll.

Wichtig ist mir aber in diesem Zusammenhang auch, daß für die Ernennung eines österreichischen Mitgliedes der Europäischen Kommission die österreichische Bundesverfassung ein besonderes, insbesondere auch das Parlament maßgeblich beteiligendes Verfahren vorsieht. Artikel 23c B-VG sieht vor, daß die Mitwirkung an dieser Ernennung der Bundesregierung obliegt, die dabei das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates herzustellen hat. Die Bundesregierung hat dabei den Hauptausschuß des Nationalrates und den Bundespräsidenten gleichzeitig davon zu unterrichten, welche Person sie zu ernennen beabsichtigt.

Ich rufe in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung, daß der Verfassungsausschuß des Nationalrates bei der Beratung der diesbezüglichen Regierungsvorlage seinerzeit festgestellt hat, daß in der Praxis schon vor der formellen Befassung des Hauptausschusses Konsultationen mit den im Hauptausschuß vertretenen Parteien geführt werden. Schließlich ist aufgrund der Bundesverfassung auch der Bundesrat von dem nach diesem Verfahren namhaft gemachten Mitglied der Kommission zu unterrichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen also, daß die österreichische Bundesverfassung ein Verfahren für die Bestellung des österreichischen Kommissionsmitgliedes vorsieht, das eine Nominierung in transparenter Art und Weise, auf breiter politischer Basis und unter maßgeblicher Einbeziehung des Parlaments sicherstellt. Wie ich bereits berichtet habe, kommt im neuen Ernennungsverfahren aufgrund des Vertrages von Amsterdam erstmals dem


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