Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 18

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

päische Regierung – überhaupt nicht! Die Kommission ist die von den Mitgliedsländern bestellte Spitze der Verwaltung.

Die politische Regierung sind immer noch die Mitgliedsländer, die zugleich einerseits Regierung und andererseits Gesetzgebung sind und von den nationalen Parlamenten kontrolliert werden. Bitte, auf diese Balance lege ich gerade als Vertreter eines kleinen Landes sehr viel wert, denn bezüglich der Alternative eines quasi direkt demokratisch gewählten Europäischen Parlaments und einer Art europäischen Regierung, die vom Parlament kontrolliert wird, sage ich Ihnen voraus, daß wir nach der Erweiterung irgendwo in einem Meer von 700 Abgeordneten mit unseren derzeit 21 Abgeordneten verschwinden und in Wahrheit viel weniger Möglichkeiten, den Gang der europäischen Geschichte und Agenda zu beeinflussen, als heute haben.

Ich werde also mit Sicherheit nicht den Eindruck mittragen, daß wir eine europäische Regierung und ein Europäisches Parlament haben und das gleiche, was in Österreich gespielt wird, dann auf europäischer Ebene gemacht wird. Das ist, so glaube ich, eine sehr vernünftige, feine Balance, die hier gefunden wird.

Natürlich bin ich dafür – konkrete Frage –, daß das Europäische Parlament im Falle des Fehlverhaltens eines Kommissärs andere Möglichkeiten eingeräumt bekommt. Ich sage ganz offen, es war so, daß nicht der ganzen Kommission Fehlverhalten vorgeworfen werden konnte, sondern nur ganz wenigen Mitgliedern. Sie wurden benannt, die Namen brauche ich hier nicht zu wiederholen, denn Sie kennen sie ohnehin alle. Es wäre klug gewesen, hätten diese Personen ihre persönliche politische Verantwortung so interpretiert, daß sie sich nicht hinter einem Kollektiv verstecken, sondern selbst die Verantwortung übernehmen oder, wenn das schon nicht gemacht wird, daß dann das Europäische Parlament die Möglichkeit der Abwahl erhält oder wenigstens der Kommissionspräsident das Recht hat, einzelne Kommissäre zu entlassen.

Diese Möglichkeit muß es selbst in einer Verwaltung geben, weil ich auch haben möchte, wenn in meinem Haus etwas nicht richtig läuft, daß ich zumindest den Verantwortlichen von seinem Posten wegbringe. Wenn ich das nicht machen kann, dann kann ich auch keine politische Verantwortung wahrnehmen. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.

Präsident Gottfried Jaud: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Welche Reformen wären vor der Erweiterung der Europäischen Union noch vorstellbar?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ein Punkt ist zum Beispiel die interne Effizienzsteigerung – dazu braucht man gar keine Vertragsänderung –, etwas, was wir in unserer Präsidentschaft begonnen haben. Ich habe einen ganzen Tag beim informellen Außenministerrat damit zugebracht, daß wir einfach eine ganz neue Aufgabenverteilung und Arbeitsmethode im Allgemeinen Rat diskutiert haben, die bisher auch völlig klaglos läuft. Das heißt, wir haben jetzt geblockt, was horizontale Arbeit ist, also wo andere Bereiche sind, die die Unionspolitik betreffen. Die Außenminister machen nicht nur die Außenpolitik, sondern sie sind quasi als Allgemeiner Rat letztlich für die Finanzen, für die Vertragsänderungen, für alles zuständig. Das wird am Anfang immer diskutiert: Agenda, Verfassungsänderungen, Strategien et cetera. Dann, beim informellen Minister-Mittagessen, werden immer die heiklen Dinge diskutiert, Dinge, die man sozusagen nicht schon beschlußfertig vor sich hat, damit man Impulse für die Arbeit der Beamten gibt, und am Nachmittag wird die Außenpolitik gemacht, und zwar ganz konkret Punkt für Punkt. Am zweiten Tag haben wir immer die Drittstaatenkontakte, sei es Europakonferenz, seien es Beitrittsverhandlungen, seien es die Troika-Treffen, seien es die Assoziationsräte. All diese Punkte sind am zweiten Tag dran. Das heißt, wir bestehen darauf: Die Minister müssen am ersten Tag dasein, müssen sich am Vormittag für die europäischen Agenden Zeit nehmen, am Nachmittag für die Außenpolitik, und der zweite Tag ist dann für die Drittstaatenkontakte vorgesehen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite