Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 24

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Mich hat sehr berührt, als mir – ich glaube, daß es ein Liberaler gewesen ist, aber ich bin mir jetzt nicht ganz sicher – ein Vizepräsident im slowakischen Parlament erzählt hat – und zwar vor allen anderen; einige Abgeordnete waren gar nicht erfreut darüber –, er komme aus einem kleinen Dorf, in welchem früher vier Kulturen quasi zusammengetroffen sind und das Dorfleben ausgemacht haben: die slowakische, die ungarische, die deutsche und die jüdische Kultur. Er sagte, es sei eigentlich ein Jammer, daß drei dieser vier Kulturen mittlerweile in diesem Dorf nicht mehr vertreten sind oder es davon nur mehr geschichtliche Spurenelemente gebe.

Das heißt: Es wächst schon auch das Gefühl, daß da etwas verlorengegangen ist. Doch da kann man mit wissenschaftlichen Gutachten, mit Publikationen, mit Symposien oder auch mit einfachen Treffen der Regionen, der Verbände vieles tun. Wir versuchen, immer wieder zu ermutigen, diesen Weg zu gehen.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1039/M, an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten. Ich bitte den Fragesteller, Bundesrat Johann Payer, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Vizekanzler! Meine Frage lautet:

1039/M-BR/99

Mit welchen Initiativen kann Österreich als neutrales Land zur Lösung des Kosovo-Konfliktes beitragen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Als erstes darf ich dazu sagen: Als neutrales Land können wir dazu wenig beitragen. Wir haben aber viel während unserer EU-Ratspräsidentschaft dazu beigetragen – das möchte ich sehr deutlich sagen –, und zwar insofern, als eigentlich zum ersten Mal in der Unionsgeschichte das Thema Kosovo thematisiert wurde. Das haben wir aber nicht deshalb machen können, weil wir neutral gewesen sind, sondern deswegen, weil wir den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehatten. Nur deshalb konnte ich die erste Balkanstrategie beziehungsweise Kosovo-Strategie auf der Ebene der europäischen Außenminister einleiten, leiten und führen.

Ich war derjenige, der den ersten EU-Vertreter für den Kosovo bestellt hat – zum Teil gegen massiven Widerstand einiger großer EU-Mitgliedsländer –, und zwar den Österreicher Wolfgang Petritsch. Das konnte ich aber nicht deshalb machen, weil ich neutral war, sondern deswegen, weil Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehatte, weil ich der Vorsitzende des Allgemeinen Rates war. Ich habe extensiv alles ausgeschöpft, was die Möglichkeiten der EU-Ratspräsidentschaft ausmachen.

Ich war derjenige, der erstmals die humanitären Hilfen über die Europäische Kommission koordinieren ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das völlig auseinandergelaufen. Es hat schon im vorigen Jahr, noch bevor der kriegerische Konflikt im engeren Sinn ausgebrochen ist, 400 000 Vertriebene aus dem Kosovo gegeben.

Wir haben massiv versucht, die Opposition in Jugoslawien, in Serbien zu ermutigen. Es hat mehrere Treffen gegeben. Wir haben beispielsweise in Alpbach Ende August zum ersten Mal einen moderaten Kosovo-Albaner von der LDK und andere Unabhängige mit moderaten Serben, wie etwa Djukanović, dem neugewählten Präsidenten von Montenegro, aber auch andere, zusammengebracht.

Wir haben im Dezember im Rahmen des Europäischen Rates in Wien acht verschiedene wichtige Gruppen der serbischen demokratischen Opposition eingeladen. Ich sage das deswegen, weil man manchmal solche Dinge vergißt. Mir ist es wichtig, daß erhalten bleibt, daß sich das kleine Österreich mehr als jedes andere Land der Europäischen Union präventiv eingesetzt hat, um den Konflikt nicht ausbrechen zu lassen.


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