Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 46

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Die Parlamentarische Versammlung hält neben Ausschüssen und verschiedenen anderen Terminen viermal jährlich Plenarsitzungen ab, in denen über verschiedene gesellschaftliche Probleme debattiert wird und Empfehlungen an das Ministerkomitee beschlossen werden.

Der Kongreß der Gemeinden und Regionen Europas ist neben anderen Einrichtungen, wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, auch sehr bedeutend. Er soll die demokratischen Strukturen vor Ort stärken helfen. Über 165 Konventionen des Europarates, allen voran die Europäische Menschenrechtskonvention, haben unseren Kontinent in den vergangenen 50 Jahren entscheidend geprägt und seine demokratische Entwicklung mitbestimmt. Das ist das bleibende Verdienst des Europarates, welches es ungeschmälert anzuerkennen gilt.

Dennoch, meine Damen und Herren, entbindet uns diese Anerkennung nicht der Aufgabe, die europäischen Strukturen vor allem in Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen in ihrer Effizienz neu zu überprüfen. Das Spannungsfeld in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, das von den Schweizer Freisinnigen bis zu den russischen Kommunisten, von Island über Albanien bis zur Türkei und seit kurzem auch bis nach Georgien reicht, hat durch diese Weitläufigkeit zugegebenermaßen seinen besonderen Charme, aber – das sollten wir ebenfalls erkennen – auch seine besondere Tücke.

Mit dem Ziel, all das unter einen Hut zu bringen, wird, meine Damen und Herren, eine lahme Ente herangezogen. Selbst in seinem bisherigen Monopol als Hüter der Menschenrechte drückt der Europarat mittlerweile beide Augen zu, und zwar sowohl in bezug auf Mitgliedsländer wie die Türkei als auch bei Neubeitritten wie jene der Slowakei und Kroatien. Das Aufgeben dieses Arbeitsfeldes und die Hinwendung zur halbherzigen Kompromißlösung wirken sich – dieser Auffassung bin ich – auf die Entwicklung des Europarates deswegen verheerend aus, weil er nämlich auf diesem Kontinent nicht ohne Konkurrenz ist, denn die Europäische Union ist jene Einrichtung, die die Politik Europas zentralistisch besetzt hat und auch wesentlich bestimmt. Als Gegengewicht gegen diese zentrale wäre eine weitläufige – ich habe sie schon skizziert –, den gesamten Kontinent umfassende Einrichtung natürlich wünschenswert. Umso bedauerlicher ist der Glaubwürdigkeitsverlust des Europarates in diesen zentralen Fragen.

Meine Damen und Herren! Der Europarat diskutiert, aber die EU handelt. Die OSZE verhandelt, aber die NATO setzt Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Wir werden auf europäischer Ebene an einer institutionellen Flurbereinigung nicht vorbeikommen. Im Sinne von Effizienzsteigerung, mehr Sparsamkeit und Beseitigung von Doppelgleisigkeiten sind europäische Einrichtungen hinkünftig mit klaren Aufgaben zu versehen oder zusammenzulegen. Der Europarat steht da in einem scharfen Konkurrenzverhältnis, in dem er in den nächsten Jahren nur dann bestehen wird, wenn es ihm gelingt, einen wichtigen Bereich der europäischen Politik glaubwürdig zu besetzen.

Dem Erreichen dieses Zieles gilt das Bestreben von uns Freiheitlichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke den Rednern für ihre Debattenbeiträge.

Weiters teile ich Ihnen mit, daß der Herr Präsident das Protokoll dieser Debattenbeiträge dem Präsidenten des Europarates übermitteln wird.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend "Neutralitäts-Lüge" des Bundeskanzlers an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.


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