Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 86

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aus einem Land, dessen Bevölkerung sich durch besondere Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe auszeichnet. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, daß ich über einen Teil dieser Regierungsvorlage ganz besonders zornig und auch ein wenig beschämt bin; denn es kann nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder haben die Mitglieder des Bundesrates nicht die gesamte Regierungsvorlage genau und gewissenhaft durchgelesen, oder es herrscht bei einigen Mitgliedern ein getrübtes Gerechtigkeitsverständnis.

Warum mache ich diese starke und auch sehr provokante Behauptung? – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie auffordern, die schriftliche Regierungsvorlage aufzublättern und § 5 durchzulesen. Im § 5 ist zu lesen:

"Nach Bestimmung des Trassenverlaufes ... dürfen auf den von der künftigen Hochleistungsstreckentrasse betroffenen Grundstücksteilen ... Neu-, Zu- und Umbauten nicht vorgenommen werden". – Und jetzt kommt der entscheidende Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren: "Ein Entschädigungsanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden." (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja verfassungswidrig!)

Wer glaubt, daß das nicht steigerungsfähig ist, der lese § 5a der Regierungsvorlage:

Ist "die Bestimmung eines Trassenverlaufes in einer Trassenverordnung in absehbarer Zeit zu erwarten, so kann der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr" – er sitzt hier neben mir – "einen Geländestreifen ... für den geplanten Trassenverlauf vorläufig mit Verordnung bestimmen." "Ein Entschädigungsanspruch kann hieraus" – wiederum – "nicht abgeleitet werden." (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind kommunistische Vorgangsweisen, schwere Eingriffe in das Privatrecht von Privatpersonen. Gerade Sie von der Fraktion der ÖVP müßten in diesem Fall auf meiner Seite stehen und diesen Mißstand beseitigen! – Sie können den Kopf schütteln, so viel Sie wollen, Sie gehören anscheinend auch zu jenen, die es nicht gelesen haben.

Ich finde mich mit meiner Meinung in guter Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn es gibt diesbezüglich ein Schreiben der Republik Österreich, nämlich des Bundesministeriums für Justiz an das Bundesministerium für Verkehr. In diesem Schreiben heißt es – ich zitiere wörtlich –: Im § 5a Abs. 2 wird bestimmt, daß aus der Erlassung einer Verordnung nach Abs. 1 ein Entschädigungsanspruch nicht abgeleitet werden kann. Diese Regelung ist im Licht des Artikels 1 des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention – ich hoffe, Sie haben dieses Wort gehört – äußerst bedenklich.

Weiters kommen in diesem Schriftstück Sätze vor wie: Dies erscheint aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz nicht akzeptabel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden heute mit Ihrer Abstimmung Ihren Sinn für Gerechtigkeit in diesem Land unter Beweis stellen und sich hier deklarieren müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines sei abschließend gesagt: Die Freiheitliche Partei wird auf der Seite der betroffenen Grundeigentümer stehen und deren Interessen sehr wohl nach wie vor wahrnehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.22

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat John Gudenus. Ich erteile es ihm.

14.23

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es stimmt mich traurig, wenn der Herr Bundesminister die Ausführungen meines Vorredners wohlwollend, zustimmend und stillschweigend kommentiert, denn ich


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