Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 95

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Wenige Tage darauf, Herr Kollege Konecny, konnten die Menschen dieses Landes nur staunen, denn die SPÖ affichierte Plakate für die EU-Wahl, in denen als Punkt 2 von Ihnen postuliert wird: “Das neutrale Österreich hat die wichtige Aufgabe, als Vermittler zu einer friedlichen Lösung im Balkan beizutragen. Wir setzen" – so sagen Sie dort – "darum unsere aktive Neutralitätspolitik fort." – Wie Ihre Neutralitätspolitik, die Sie nämlich fortsetzen wollen, in den vergangenen Jahren ausgesehen hat, meine Damen und Herren, sind wir gespannt, heute vom Herrn Staatssekretär in der Beantwortung zu erfahren.

Nach Brüssel aber an den Tisch der großen sozialdemokratischen Europäer zu seinen Freunden Tony und Gerhard zurückgekehrt bekräftigte Viktor Klima seine Äußerungen von Berlin und erklärte mit den anderen Staats- und Regierungschefs, "daß der Einsatz schärfster Maßnahmen – einschließlich militärischer Aktionen – notwendig und gerechtfertigt war".

Meine Damen und Herren! Solche Widersprüchlichkeiten muß eine Opposition zum Anlaß nehmen, um die Regierungspolitik zu hinterfragen und von der Regierung eine klare Linie zu verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In dieser Phase der Umwälzungen, in dieser Phase des ersten Krieges Gesamteuropas seit 1945, die wir derzeit erleben, und der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Sicherheitssystems hätte nämlich unsere Republik erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Chance, ihre Sicherheitspolitik frei zu gestalten und einen Beitrag zum Aufbau dieser neuen Ordnung zu leisten. Die Bundesregierung wäre daher in dieser Phase des Umbruchs nach unserer Auffassung gefordert, die entscheidenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen zum Wohle unserer Heimat zu treffen. Sie ist aber wie in vielen anderen Fragen uneinig und nicht handlungsfähig. Nahezu jeden Tag wird nämlich von den Mitgliedern der Regierungsparteien ein anderer Standpunkt in Fragen der Sicherheitspolitik vertreten. Aus diesem Grund kommt es auch von seiten der Koalitionsfraktionen zu keiner umfassenden und ehrlichen Diskussion der Sicherheitspolitik im Hohen Hause.

Den vorläufigen Schlußpunkt sahen viele Kommentatoren im Versagen dieser Bundesregierung, den gemeinsam in der Regierungserklärung sogar in Aussicht genommenen Optionenbericht, wie vereinbart, bis zum 31. März 1998 dem Nationalrat vorzulegen.

Meine Damen und Herren! Sowohl die Entscheidungsschwäche der Regierung als auch der Versuch der Diskussionsverhinderung im Parlament und nunmehr durch den Bundeskanzler via Medien haben dazu geführt, daß die Geschichte Österreich zu überholen droht. Die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur schreitet mit schnellen Schritten voran, während die Debatte hier bei uns in Österreich auf der Stelle tritt.

Die Regierungsparteien versuchen, diese rasante Entwicklung immer mehr zu negieren, und verwickeln sich dabei – ich habe es schon erwähnt – in erhebliche Widersprüche. Man gaukelt der Bevölkerung ein Konzept der österreichischen Sicherheit vor, das einerseits aus dem Aspekt der Beibehaltung der Neutralität bei gleichbleibend zu geringen Aufwendungen für die Landesverteidigung besteht und andererseits die Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen der EU-Mitgliedschaft – nach dem Amsterdamer Vertrag die Teilnahme an den sogenannten Petersberg-Missionen – vorsieht. Dies bedeutet in der Praxis auch die Übernahme einer Vielzahl von politischen und militärischen Verpflichtungen wie etwa die Bereitschaft zu Kampfeinsätzen, aber keinerlei unmittelbaren Sicherheitsgewinn für Österreich durch den Schutz eines Bündnisses. In kurzen Worten: viele Pflichten und wenig Rechte.

Mit dem Amsterdamer Vertrag und den damit zusammenhängenden Verfassungsänderungen haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Neutralität endgültig abgeschafft. Sagen Sie nicht, Sie hätten bei Kampfeinsätzen die Möglichkeit zur konstruktiven Enthaltung – wir haben darüber hier an dieser Stelle schon debattiert –, denn der Charakter der immerwährenden Neutralität ist es nämlich, keine Wahlmöglichkeit zu haben, sondern sich völkerrechtlich verpflichtend weder für die eine noch für die andere Seite entscheiden zu können, eben a priori neutral zu sein. Das sind Sie ab jetzt nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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