Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 109

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als neuem leitenden Grundsatz unserer Außen- und Sicherheitspolitik die Rede. In dieser Bedeutung sei nunmehr die Neutralität zu verstehen.

Das heißt im Klartext, Sie definieren lieber eine klassische Institution des Völkerrechts in einer geradezu selbstwidersprüchlichen Weise um, als ehrlich zuzugeben, daß Österreich diesen völkerrechtlichen Status eben mehr oder weniger preisgegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der emotional und sozialethisch positiv besetzte Begriff der Solidarität soll das dem Bürger lediglich schmackhaft machen. Staats- und völkerrechtlich kommt diesem so unscharfen wie ideologieanfälligen Begriff jedoch keinerlei Relevanz zu.

All das ist übrigens für unsere Glaubwürdigkeit auf außenpolitischer Ebene höchst abträglich – sind wir doch für die übrigen EU-Mitglieder kein berechenbarer Partner mehr.

Beteiligen wir uns das eine Mal aktiv an militärischen Einsätzen – wenngleich, ich räume das ein, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen oder der OSZE –, so verhalten wir uns eben "solidarisch" und haben mit der Neutralität nicht das geringste Problem. Lehnen wir aber das andere Mal den Transit von Militärpersonen oder von militärischem Material durch Österreich ab, selbst wenn dies reinen Übungen der NATO-Partnerschaft für den Frieden dient, so berufen wir uns darauf, daß uns das Kriegsmaterialiengesetz oder ähnliche Randbestimmungen und (Bundesrat Meier: Das ist ein Gesetz, nicht Bestimmung! Das ist ein Gesetz!) – das wäre dann längst zu ändern, wenn man verfassungskonform agieren wollte – das formal aufrechterhaltene Neutralitätsgesetz, dem weitestgehend materiell derogiert ist – daher brauchen wir gar keine Zweidrittelmehrheit zu seiner Beseitigung, denn es ist ihm materiell weithin ohnehin derogiert –, eben derartiges verbieten.

Jüngst mußte uns sogar Premierminister Tony Blair, also der Freund unseres Bundeskanzlers, vor dem britischen Unterhaus gegen den Vorwurf verteidigen, daß sich Österreich in der Kosovo-Krise unsolidarisch und nicht wie ein echter EU-Partner verhalte. Ich verstehe diese herbe Kritik durchaus, hält man sich vor Augen, daß derselbe Bundeskanzler Klima ... (Bundesrat Konecny: Die aber nicht seine war! Er hat eine Antwort dazu gegeben!) – Er hat auf die österreichische Verfassung verwiesen, hinter der wir uns formal verschanzen. (Bundesrat Konecny: Nein, das hat er nicht gesagt!) – Das sage ich, das ist meine Interpretation, die Sie mir zugestehen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verstehe das, hält man sich vor Augen, daß derselbe Bundeskanzler Klima – es ist heute mehrfach angesprochen worden – noch kurz zuvor beim EU-Rat in Berlin ausdrücklich erklärt hatte, der NATO-Einsatz sei "notwendig und gerechtfertigt". Eine solche Neutralitätspolitik kann man nicht machen, wenn man wirklich neutral ist.

Aber jetzt im Zuge des EU-Wahlkampfes fordert Klima wieder, die Frage der Neutralität für fünf Jahre außer Streit zu stellen. Auch das ist heute mehrfach schon von Debattenrednern angesprochen worden. Das hat ihm nicht nur seitens der Opposition, der bösen Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner den Vorwurf eingetragen, ein Diskussionsverbot verhängen zu wollen. Kritikwürdig daran ist aber nicht minder, daß Klima diese Außerstreitstellung im vollen Bewußtsein dessen fordert, daß die grundlegenden Entscheidungen, die Weichenstellungen für die europäische Sicherheitsarchitektur gerade in den nächsten ein bis zwei Jahren getroffen werden.

Soll das etwa ohne aktiven politischen Beitrag Österreichs geschehen, oder gilt es nur einmal mehr, diese politische Richtungsentscheidung am Parlament und an der eigenen Bevölkerung vorbeizuschwindeln? – Jedenfalls lehnen wir Freiheitlichen es scharf ab, daß der Bundeskanzler in Österreich die Beibehaltung der Neutralität beschwört und sie zugleich in Brüssel laufend preisgibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese doppelbödige Haltung ist weder unseren Bürgern noch unseren EU-Partnern zumutbar. Sie trägt sogar den gefährlichen Keim in sich, in Zukunft ein Sicherheitsrisiko für Österreich auszulösen. Wir fordern daher den Bundeskanzler dazu auf, dieses innen- wie auch außenpolitisch unwürdige Doppelspiel zu beenden und sich noch rechtzeitig zu einem klaren Sicherheits


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