Bundesrat Stenographisches Protokoll 654. Sitzung / Seite 111

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Ich habe nie geglaubt, daß die Neutralität expressis verbis die Sicherheit für Österreich gewährleistet, wohl aber diese Grundhaltung, die man auch für eine Vermittlertätigkeit nützen konnte, und vor allem die Friedensidee, die dahintersteckt. Denn von einem wirklich Neutralen kann jeder annehmen, daß keine Gewalt von ihm ausgeht, und ich glaube, es gibt auf der ganzen Welt keinen Staat, der glaubt, daß Österreich irgendwo aggressiv werden würde.

Ich glaube auch, daß in erster Linie kleinere Staaten neutral sein können, denn es wird nicht bei den Großmächten beginnen. Wir haben innerhalb der Europäischen Union neutrale Staaten wie Schweden, Finnland und Irland, wenn auch mit etwas anderer Positionierung, anderer Auslegung dieser Neutralität.

Meine Damen und Herren! Auch was die NATO betrifft, gibt es die verschiedensten Haltungen. Es werden zwar Jets in Italien gestartet, die in den Kosovo und nach Serbien (Bundesrat Dr. Tremmel: Über Radkersburg fliegen!) fliegen, aber die italienische Regierung tut sich schwer, alle NATO-Beschlüsse mitzuvollziehen, ebenso tut sich der EU- und NATO-Partner Griechenland schwer, diese Handlungen mitzuvollziehen. Also kann man doch nicht sagen, daß das neutrale Österreich hier nicht richtig gehandelt habe. Und Österreich ist laut Verfassung neutral, und ich glaube, daß auch die realpolitische Situation, auch wenn sich die Neutralität geändert hat, mit der Verfassung konform ist. Ansonsten müßte man es beim Verfassungsgerichtshof an konkreten Beispielen klären, ob wir gegen die Verfassung verstoßen haben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es hat heute Herr Außenminister Schüssel in der Fragestunde gesagt, daß wir auch als NATO-Mitglied im Kosovo nicht mehr hätten tun können. Das wird auch anerkannt. Das hat er wortwörtlich gesagt, und er hat gesagt, das habe mit Neutralität nichts zu tun. Das beweist doch, daß man, um diese Hilfsmaßnahmen durchführen zu können, nicht NATO-Mitglied sein muß. Und daß wir Hilfe in jeder Richtung anbieten können, das haben wir bewiesen, das hat die österreichische Bevölkerung mit "Nachbar in Not" und vielen anderen Aktionen bewiesen, und das beweisen auch jene Rot-Kreuz-Mitarbeiter und Soldaten, die wir nach Albanien geschickt haben, um dort mitzuhelfen. Dazu brauchen wir nicht die NATO.

Ich möchte zu Bundesrat Dr. Liechtenstein noch eines sagen – ich glaube, es kommt auch in der Begründung des FPÖ-Antrages vor –, und zwar geht es mir um den Unterschied zwischen neutral und neutralistisch.

Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein! Du hast "neutralistisch" gesagt, und ich stimme dir diesbezüglich völlig zu. Aber es sollte sich jeder erkundigen – und ich glaube, du stimmst mir zu –, welch großer Unterschied zwischen neutralistisch und neutral ist. Ich bin gegen Neutralismus, aber für Neutralität. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde darum ersuchen, im Zusammenhang mit der Neutralität nicht das Wort "neutralistisch" zu verwenden oder "neutralistisch" zu meinen und es mit "neutral" gleichzusetzen.

Unter diesen Voraussetzungen bin ich eigentlich sehr froh darüber, daß sich meine Meinung und Haltung zur Neutralität, die sich nicht nach meiner Partei richtet, der ich angehöre, mit der meiner Partei deckt und die SPÖ diese Haltung mit überwiegender Mehrheit einnimmt. Ich glaube, daß ein Großteil der Österreicher diese Haltung hat. Wir sollten schon tun, was die Leute wünschen, in diesem Fall besonders, aber man sollte nicht immer alles nachreden. Wenn sich nun die Haltung und Meinung eines Politikers mit dem deckt, was die Bevölkerung wahrscheinlich mit Mehrheit auch meint, dann finde ich das sehr positiv. Ich glaube, das darf man auch der Bevölkerung sagen, und ich wäre der letzte, der sich einem Mehrheitsbeschluß im Rahmen einer Volksabstimmung nicht beugen würde, wenn das Ergebnis ein anderes als meine persönliche Meinung ist. Dies ist aber hier nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir dieses Thema weiterhin diskutieren müssen. So wie sich die Neutralität zweifellos den heutigen Bedingungen angepaßt und auch geändert hat, wird es weitere Entwicklungen geben. Sie schreiben in Ihrer dringlichen Anfrage, die EU sollte sich mit der WEU verschmelzen, und das sei dann das Sicherheitssystem Europas. Wir wissen aber ganz genau, daß das Sicherheitssystem der WEU noch nicht ausgearbeitet, noch nicht vor


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