Bundesrat Stenographisches Protokoll 655. Sitzung / Seite 158

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Warum sage ich das? – Weil das Parlament allmählich zu einer Abstimmungsmaschinerie für die Regierungsvorschläge zu verkümmern droht. Dies ist im Bundesrat und im Nationalrat gleichermaßen festzustellen. Seit Jahren wird diese Entwicklung von Berufenen und Unberufenen beklagt, geändert hat sich jedoch bis zum heutigen Tag nichts.

Wie sieht die Gesetzgebung in der Praxis aus? – Die ausgezeichneten Beamten – wenn ich von den ausgezeichneten Beamten Österreichs spreche, dann meine ich das auch so; ich meine dies weder zynisch noch sonst in einem anderen als dem eigentlichen Sinn, sondern ich stelle damit einfach fest, daß Österreich ganz ausgezeichnete Beamte hat – der Ministerien entwerfen auf Wunsch der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Gesetze. Diese werden dann von den verschiedenen Interessengruppen begutachtet und nach Korrektur oder Nichtkorrektur im Ministerrat beschlossen. Diese Regierungsvorlagen gelangen dann ins Parlament. Am Beginn meiner parlamentarischen Tätigkeit sagte ich einmal zu einem Abgeordneten des Nationalrates, daß mir ein Gesetz nicht gefallen würde. Er antwortete mir folgendes: Wenn die Sozialpartner dem Gesetz zugestimmt haben, dann brauchst du dir den Kopf darüber nicht mehr zu zerbrechen. – Die Abstimmung im Parlament läuft also nach dem Motto ab: Was die Regierung beschlossen hat, wird Gesetz.

Wie sieht nun die praktische Anwendung der Gesetze aus? – Ausgezeichnete österreichische Beamte – nicht ganz die gleichen Beamten, die auch die Gesetze entworfen haben – kontrollieren dann die Einhaltung der Gesetze. Wenn sich dann der Bürger, weil er verschiedene gesetzliche Vorschriften als praxisfremd und in manchen Fällen sogar als unnötig betrachten muß, darüber aufregt, dann sagen die ausgezeichneten österreichischen Beamten – allerdings nicht jene, die die Gesetze entworfen haben, sondern jene, die für die Überwachung zuständig sind –, daß sie – nämlich die Bürger, die sich beschweren – sich bei den Abgeordneten beklagen sollen, denn sie haben ja diese Gesetze beschlossen.

Eine parlamentarische Entwicklung, bei der die Regierung ein deutliches Übergewicht erhält, gefährdet unsere demokratischen Grundsätze. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.) Es ist dies übrigens eine Entwicklung, die nicht nur bei uns in Österreich zu beobachten ist, sondern die, wie bei der letzten Parlamentspräsidentenkonferenz in Lissabon einhellig festgestellt wurde, in ganz Europa parallel läuft. Eine Begründung für diese Entwicklung wird teilweise auch darin gesehen, daß die Herausforderungen der Globalisierung durch die Parlamente offenbar noch nicht bewältigt worden sind. Als typisches Beispiel sind für mich die Abstimmungsvorgänge bei den Bundesratsausschüssen am vergangenen Montag zu sehen (Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!): Alle Regierungsvorlagen, also die Vorschläge der Regierung, wurden zustimmend zur Kenntnis genommen (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es! Ja!), während die eigenen Anliegen, also Anliegen, die die Bundesräte selbst eingebracht haben, entweder zurückgezogen oder vertagt wurden.

Aus Sicht eines Außenstehenden könnte daraus durchaus der Schluß gezogen werden, daß all jene Vorlagen, die von der Regierung eingebracht werden, vernünftig und gescheit sind, während all jene Anträge, die von Mitgliedern des Bundesrates selbst eingebracht wurden, unvernünftig sind. Da brauchen wir uns dann nicht zu wundern, wenn in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die Abgeordneten seien überflüssig.

Wir Parlamentarier sind die einzigen, die für Gesetzesbeschlüsse zuständig sind, und auch die einzigen, die für den Beschluß der Gesetze verantwortlich sind. Nicht die Partei, nicht der Klub, jeder einzelne von uns ist seinem Gewissen und dem Bürger verantwortlich. Vielleicht nehmen wir ab und zu diese Verantwortung etwas zu leicht. Es war für mich nicht immer leicht, aber es war für mich eine ehrenvolle Aufgabe, zehn Jahre lang im österreichischen Parlament im Bundesrat, wie ich glaube, mein Bestes zu geben, jedenfalls das Beste, das ich geben konnte.

Mein Dank gilt nun im besonderen der guten Zusammenarbeit und der konstruktiven Mitarbeit bei der Präsidialkonferenz. Namentlich bedanke ich mich bei Vizepräsidentin Haselbach, bei Vizepräsidenten Weiss und bei den Fraktionsvorsitzenden Bieringer, Konecny und Dr. Bösch.


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