Diese Kammer hat sicherlich eine besondere Funktion, die ich oftmals als die eines Scharniers charakterisiert habe, weil sie zwar einerseits jenes Gremium ist, das die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes exekutiert, aber andererseits natürlich eingebunden ist – jeder von uns in dem parlamentarischen Klub seiner politischen Gruppierung – in eine Entscheidungsfindung, die auch und insbesondere das gesamtstaatliche Prinzip verkörpert.
Ich möchte mich, ohne darüber einen Streit vom Zaun zu brechen, gegen die als Faktenmitteilung getarnte Polemik des Kollegen Böhm verwahren, dass es hier zwei Fraktionen gebe, die sozusagen ein föderalistisches Erstgeburtsrecht hätten, während die dritte Fraktion des Hauses mit diesem Verfassungsprinzip auf Kriegsfuß stünde. Keine Rede davon! (Bundesrat Dr. Böhm: Das war nicht die Behauptung!) Sie haben gesagt – also, lassen wir es! Ich habe gesagt, wir wollen keine Polemik beginnen. Daher nehme ich Ihren Zwischenruf zur Kenntnis und gehe in diesem Punkt nicht weiter.
Aber das Entscheidende ist – Kollege Rauchenberger, der hier mit so viel Zustimmung und Freundlichkeit verabschiedet wurde und dem ich selbstverständlich auch vom Standpunkt meiner, seiner eigenen, Fraktion für seine langjährige Mitarbeit in dieser Kammer sehr herzlich danken möchte, hat schon darauf hingewiesen –, dass Föderalismus für uns ein nicht als zweistufig zu verstehendes, sondern ein komplexeres Gewebe darstellt; insbesondere, weil die Gemeinden, groß oder klein, naturgemäß – sie sind beispielsweise auch Partner im Finanzausgleich – eine eigenständige Kraft in diesem System des Föderalismus darstellen, eine Kraft, die, soweit es vis-à-vis des Bundes anzusehen ist, sich im Wesentlichen auf finanzielle Fragen beschränkt – weil sie eben Partner des Finanzausgleichs sind und weil sie natürlich von Gesetzesentscheidungen der Bundesebene finanziell in gravierendster Weise betroffen sein können –, während es im Bereich der Länder, also des hoffentlich fruchtbaren Dualismus zwischen Gemeinden und dem jeweiligen Bundesland, auch um sehr viele andere Fragen gehen kann und gehen muss.
Föderalismus bedeutet aber auch Folgendes – und das hat mir ein wenig gefehlt, obwohl ich dem Herrn Landeshauptmann das Grundverständnis, das dahinter zu stehen habe, selbstverständlich unterstelle –: Es geht in all den Diskussionen über die Bundesstaatsreform nicht ausschließlich um die Frage der Abrundung von Kompetenzbereichen, was auch immer ein Stückchen Macht bedeutet – was nicht abwertend gemeint ist –, es geht auch nicht nur um mögliche Verwaltungsvereinfachung, sondern es geht natürlich auch um die Philosophie dieses Gemeinwesens, zu dem sehr deutlich die Frage gestellt werden muss: Wo ist jener Raum, der für regionale, föderale Verschiedenheit offen sein kann, und wo sind jene Grundanforderungen der Gesamtrepublik, die auch dort durchgesetzt werden müssen, wo es um regionale Entscheidungen geht?
Es kann in unserem Verständnis mit Sicherheit nicht so sein, dass Rechtsausstattungen, die Bürgern letztlich von unserer Verfassung garantiert werden, in der konkreten Ausformung so unterschiedlich werden, dass das Gleichheitsprinzip schon wieder in Frage gestellt wird.
Eine Diskussion über die Gestaltung des Bundesstaates muss selbstverständlich auch – diese Anmerkung möchte ich sehr deutlich machen – berücksichtigen, in welchem Maße – das ist ein sehr beträchtliches – sich außerstaatliche Einflüsse auf die Entscheidungsstrukturen und auf die Kompetenzbereiche auswirken. Die Forderungen der Länder gehen zu einem guten Teil darauf zurück, dass der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auf Grund der konkreten Aufgabenzuordnung im innerstaatlichen Verfassungsbereich die Republik zwar stark, aber die Länder wesentlich stärker getroffen hat. Obwohl natürlich alles logisch nachvollziehbar ist, steht das Motiv schon ein bisschen dafür: Für diesen überproportionalen Verlust verlangen die Länder einen Ausgleich.
Gleichzeitig sollten wir uns darüber im Klaren sein – das ist ein globaler Trend und keine österreichische Sonderfrage –, dass die Rolle des Nationalstaates tendenziell stärker ausgehöhlt wird als die Rolle regionaler Entitäten, wie immer sie im jeweiligen Bereich heißen mögen. Der Prozess der Globalisierung, in dem wir leben und vor dem wir weder kapitulieren dürfen und den wir auch nicht ignorieren dürfen, führt selbstverständlich dazu, dass viele der traditionellen
Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite