Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 33

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Politiker genau sagen würden: Wir wollen den Staatenbund oder wir wollen den Bundesstaat. Von einer Mischform, einem Cocktail verschiedener Zutaten geschmackvoller und weniger geschmackvoller Art, halte ich persönlich recht wenig. Der Bürger hat das Recht zu wissen, wird es ein Bundesstaat oder ein Staatenbund. Sollte es eines der beiden nicht werden, möchte ich eine echte Zielvorgabe haben, was es dann wird und nicht irgendeine Mischform. Vielleicht hat der Herr Bundesminister auch nicht irgendeine gesagt, sondern nur Mischform. Aber grundsätzlich ist mir diese Mischform zu wenig.

Die Erweiterung der EU um bis zu sechs Kandidaten scheint beschlossen zu sein, um den Kontinent im Umbruch durch die dauerhafte Einbindung der Länder Zentral- und Osteuropas in eine Zone der Sicherheit und des Wohlstands zu verwandeln. Das ist ein ehrenwertes und ein ehrenhaftes Ziel. Dazu kann man stehen oder man kann es aus verschiedenen Gründen, wie wir Freiheitlichen, für nicht so gut empfinden, und zwar deswegen, weil wir der Meinung sind, dass die Hürde zu hoch gesetzt ist, Frau Staatssekretärin! Sechs Staaten, die sich zum Teil in einer miserablen sozialen Struktur befinden, in die Zone des Wohlstandes zu holen, würde vielleicht heißen, dass bei uns Wohlstand abgebaut wird und Teile unseres Wohlstandes dort aufgebaut werden. Das wäre zu überlegen.

Wir waren letztes Jahr auf der Weltbühne Sitz und Stimme Europas. Sechs Monate lang haben sich Sie, der Herr Minister, das ganze Amt, die österreichischen Kollegen und die politischen Kollegen im besonderen Maße um den Sitz und die Stimme Europas bemüht und haben Bürgernähe – so schreibt der Herr Bundesminister – gezeigt. Das mit der Bürgernähe stimmt aber nicht. Nicht einmal zu Kaisers Zeiten war die Wiener Innenstadt so abgesperrt wie anlässlich dieses großen, angeblich so bürgernahen Treffens in Wien. Auch in Pörtschach haben die Froschmänner im kalten Wasser – ich weiß nicht nach wem – gesucht. Die österreichische Bevölkerung, die zum Teil an diesem Fest teilnehmen wollte, wurde eigentlich durch Absperrungen abgehalten. (Bundesrat Prähauser: Wenn etwas passiert wäre, Herr Kollege, würden Sie hier das Gleiche sagen, nur aus umgekehrter Sicht! Vergessen Sie das nicht!) – Ich habe schon Verständnis für Sicherheit, aber dann soll man nicht von Bürgernähe reden. Die Bürgernähe wird nicht durch die Exekutive aufrecht erhalten.

Die Frage ist daher für mich: Wer soll vor wem geschützt werden? – Der Bürger vor den Politikern oder die Politiker vor den Bürgern? – Diese Frage müssen wir uns immer wieder stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den braven Mann mit menschlichem Gesicht sehe ich in diesem Europa noch nicht so ganz, dazu gehören noch viele Anstrengungen dazu, auf jeden Fall weniger Exekutiveinsätze.

Die schmerzlichen Wunden am Balkan hätten wir uns durch ein eindeutiges Agieren, durch eine Verweigerung des Waffeneinsatzes, der Mithilfe und des eindeutigen Ausdrückens, wir Österreicher lehnen einen von der UNO nichtsanktionierten Kriegsschauplatz ab, ersparen können. Dieses Verweigern hätte Österreich, so meine ich, mehr Ansehen gebracht als eine Mischform. Ein bisserl waren wir dabei, ein bisserl waren wir nicht dabei.

Professor Zemanek schrieb vor wenigen Tagen – er ist beileibe kein Neutralitätsapologet –, dass die Militäraktion des Westens, der NATO gegen Jugoslawien ein Bruch des Völkerrechts war. Denn durch das Vorgehen der USA und ihres europäischen Protektorates im Rahmen einer Militäraktion ist mehr Schaden angerichtet worden, als man zu beseitigen trachtete. Auch Graphitbomben widersprechen dem humanitären Völkerrecht, wonach im Krieg keine Waffen eingesetzt werden dürfen, die unterschiedslos auf Zivilisten und Militärs wirken. So ist auch die Zerstörung der Donaubrücken anzusehen, die wirklich keinen Zusammenhang zu Kosovo hat, sehr wohl aber einen Zusammenhang Rumäniens und Bulgariens zum westlichen Europa aufweist. Zemanek erachtet die extensive Interpretation der UNO-Satzungen, nach der jede Gewaltanwendung verboten ist, für überzeugender, weil sie nach gegenwärtigen Stand der internationalen Beziehungen weniger Raum für Missbrauch lässt und somit nicht die Gefahr besteht, dass sich auch andere Staaten demnächst einmal für befugt erachten könnten, irgendwo irgendwann bei irgendwem militärisch zu intervenieren.


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