Bundesrat Stenographisches Protokoll 658. Sitzung / Seite 34

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August Pradeto, ein Politologe an der Bundeswehruniversität in Hamburg, meint – es ist interessant, dass das ein deutscher Politologe macht, weil Deutschland sehr intensiv daran mitgewirkt hat –, dass weder in der Türkei noch in Russland, wo schlimmere Verletzungen der Menschenrechte vorkommen, so interveniert wurde oder interveniert werden wird wie im Kosovo. Auch der Völkerrechtler Gerhard Zimmer, ebenso an der Bundeswehruniversität lehrend, sieht in der humanitären Intervention ohne UNO-Mandat einen Rückschritt. Jedes unilaterale Eingreifen ohne UNO-Mandat unterhöhlt die Ächtung der Gewalt, die nicht der Verteidigung diene, und führt dazu, dass Kriege leichter führbar werden. Das ist etwas, was ich entschieden ablehne und, so glaube ich auch, ein Großteil von Ihnen hier im Raume.

Die Friedensgespräche von Rambouillet werden auch vom Herrn Bundesminister angeführt. Ohne dass ich mich serbophil gebe, aber als Vertragsentwurf waren diese Friedensgespräche für einen Staat, der ein bisschen Selbstachtung hat, unannehmbar, speziell das, was in den Zusatzklauseln, die nicht allgemein öffentlich sind, die man aber im Internet nachlesen kann, veröffentlicht wurde. Das waren keine Friedensvertragsentwürfe, sondern das war einfach ein Diktat, welches man nicht annehmen konnte.

Die Entwicklungszusammenarbeit wird vom Herrn Vizekanzler als eine der laufenden Arbeiten hervorgehoben. Diese staatliche Almosenpolitik ist gescheitert, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einem ihrer Wirtschaftsartikel. Die Unwirtschaftlichkeit schafft soziale Ungerechtigkeit, besonders in Afrika. Es ist offenkundig, dass die Millionen-, europaweit Milliardenbeträge, die nach Afrika flossen, die erhoffte Entwicklung nicht brachten. Die sozialen Indikatoren verharren seit Jahrzehnten auf niedrigstem Niveau, während die Entwicklungshilfe immer wichtiger wird, um die Grundversorgung der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des betroffenen Staates aufrecht zu erhalten.

Die Entwicklungshilfe als Hilfe zur Selbsthilfe ist gescheitert. Auch die Geberstaaten trifft die Schuld. Zu viele haben ein Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Systems, zu viele haben ihr Einkommen aus diesem System. Die Problematik der notwendigen Strukturanpassungen trägt fast immer mehr österreichische Züge, das heißt, sie liegt in ungleichen Machtverhältnissen zwischen reformbereiten und blockierenden Kräften.

Die Frau Staatssekretärin lässt in ihrem Vorwort eine langfristige Konzeption der österreichischen Afrikapolitik erkennen, so wie die wachsende wirtschaftliche und politische Rolle, die Österreich dort spielen werde. Der Bericht selbst schreibt dann viel nüchterner über die 14 SADC-Staaten, das sind das südliche Afrika und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas. Während die von den Serben Vertriebenen mit Milliardenkosten wieder in ihre Heimat rückkehren, sind in Afrika mindestens acht Millionen Menschen auf der Flucht heimat- und mittellos geworden.

Der ugandische Staatspräsident nannte unter viel Beifall die UNO-Truppen Feiglinge. Blutige Konfliktherde überziehen den schwarzen Kontinent, afrikanische Kriegerhorden sind Interessengemeinschaften, die entgegen der bei uns oft verbreiteten Meinung vorwiegend finanzielle Ziele verfolgen. Das physische Auslöschen eines dieser Kriegsherren mit einer Präzisionswaffe zum Beispiel ließe sofort einen anderen an seine Stelle treten. Zu oft auch überwiegen bei nordamerikanischen und europäischen Entwicklungshilfen ökonomische Interessen – ohne des Geberstaates, ohne echte moralische Interessen.

So drängt die USA in Sierra Leone, dass die grausamen Aufständischen, welche 20 000 Personen mit den Macheten Arme und Beine abgehackt haben, in die Regierung aufgenommen werden. Dafür zahlen die Vereinigten Staaten und Norwegen je eine Million Dollar für die Prothesen. Da erachte ich es schon als für die afrikanischen Staaten hilfreicher, wenn Österreich die Forderung der Organisation afrikanischer Staaten unterstützen würde, Entschädigung für vorangegangene Sklaverei, den afrikanischen Holocaust, in Milliarden Dollar – im Gerede sind 770 Milliarden Dollar – zu erlangen.

Die von der Frau Staatsseketrärin hervorgehobene partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem gestärkten europäischen Parlament erstaunt mich. Die Stärkung des einen führt zwangsläufig –


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