Bundesrat Stenographisches Protokoll 660. Sitzung / Seite 55

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Wir wundern uns beziehungsweise manche tun so, als ob sie sich wunderten über die Angriffe, die aus dem Ausland kommen. In Wahrheit, meine Damen und Herren, werden und wurden diese Angriffe, wie soeben dargelegt, zum Großteil immer wieder von bestimmten Leuten aus der so genannten linken Reichshälfte – um in alter Sprachform zu reden – produziert und provoziert – so schaut die Tatsache aus –, und zwar nicht von den Freiheitlichen, nicht von der Österreichischen Volkspartei, sondern von Sozialdemokraten, so genannten liberalen Grünen et cetera. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Repar. ) Ganz generell kommen Angriffe einfach von jenen, die von sich selbst einfach behaupten: Wir sind die Guten!, ohne dass das einer Frage unterzogen wird, die sich aber gleichzeitig uns gegenüber einer Sprache bedienen, die menschenverachtender und aggressiver nicht mehr sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!)

Ich glaube, meine Damen und Herren, zum allgemeinen Lernen, zum Lernen der Oppositionsrolle und des Machtverlustes für die Sozialdemokraten, zugegeben auch zum Lernen der Regierungsverantwortung für uns ist es in erster Linie geboten, sich wieder einmal mit den Grundsätzen der Demokratie auseinander zu setzen und zu hinterfragen: Wie funktioniert denn das?

Ich zitiere: Wer absolute Wahrheit und absolute Werte menschlicher Erkenntnis für verschlossen hält, muss nicht nur die eigene, muss auch die fremde, gegenteilige Meinung zumindest für möglich halten. Darum ist der Relativismus die Weltanschauung, die der demokratische Gedanke voraussetzt. Demokratie schätzt den politischen Willen jedermanns gleich ein, wie sie auch jeden politischen Glauben, jede politische Meinung, deren Ausdruck ja nur der politische Wille ist, gleichermaßen achtet. – Hans Kelsen in seinem Werk "Vom Wesen und Wert der Demokratie". (Bundesrat Meier: Alles richtig!)

Am Ende dieses Kapitels beziehungsweise des Buches geht Kelsen auf eine der größten demokratischen Missentscheidungen in der Weltgeschichte ein. Ich brauche nicht alles zu zitieren, es geht um Barabbas und Christus: ... sicherlich eine mehrheitliche Fehlentscheidung. – Er zieht aber einen ganz anderen Schluss daraus: Vielleicht werden die Gläubigen, die politisch Gläubigen einwenden, dass gerade dieses Beispiel eher gegen als für die Demokratie spreche, und diesen Einwand muss man gelten lassen – freilich nur unter einer Bedingung: wenn die Gläubigen ihrer politischen Wahrheit so gewiss sind wie der Sohn Gottes.

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei – so hoffe ich zumindest –, sind nicht der Meinung, dass Sie im Besitz der absoluten Wahrheit sind. Denn würde ich dem folgen, dann wären Sie nach den Ausführungen Kelsens ja undemokratisch. Da ich aber überzeugt bin, dass Sie Demokraten sind, ersuche ich Sie, die Spielregeln der Demokratie sine ira et studio ganz einfach jetzt einmal aus der Oppositionsrolle zu akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.28

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm dieses.

17.29

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute hat die Sozialdemokratische Partei, obwohl sie nach wie vor noch Regierungsverantwortung trägt, die demokratisch schärfste Waffe der Opposition wahrgenommen und eine dringliche Anfrage gestellt. Damit hier kein Missverständnis entsteht: Das ist legitim, das ist auch in Demokratien üblich, unüblich ist lediglich, dass Regierungsparteien dringliche Anfragen stellen. Dennoch hat die Frau Staatssekretärin diese Anfrage sehr eindrucksvoll beantwortet, und dafür möchte ich mich bei Ihnen, geschätzte Frau Staatssekretärin, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, der Verlust der Macht trifft die Sozialdemokraten am härtesten. Ich will nur drei Beispiele aufzählen.

Erstens: Als es der damalige Bundeskanzler Josef Klaus nach dem 6. März 1966 gewagt hat zu sagen: Wenn keine Regierungsverhandlungen mehr stattfinden können beziehungsweise eine


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