Bundesrat Stenographisches Protokoll 660. Sitzung / Seite 88

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und brutalisiert – "Valium" einzusetzen. Freilich, wenn man jetzt die Pressemeldungen verfolgt, dann werden Sie sagen: Die Zeitungen von gestern sind die Reden der Bundesräte von heute. Ich werde später darauf zurückkommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Österreich vielleicht einen Gewöhnungsprozess miterlebt, nämlich einen Gewöhnungsprozess der Wortwahl. Wir sind es zehn Jahre gewohnt – ich will die Zitate, die den ganzen Nachmittag über besprochen worden sind, jetzt nicht wiederholen. Aber, Herr Bundesminister, wer Chirac, die Belgier, Institutionen und Regierungen rhetorisch angreift und wer – sagen wir es offen – mit der Vergangenheit nicht den richtigen Umgang hat, der darf sich nicht wundern, wenn das Ausland so reagiert. Da können wir nicht sagen: Jetzt sind wir beleidigt, weil das Ausland so reagiert, also hat jetzt auf einmal das Ausland Schuld.

Ich will jetzt nicht mehr den Fuchs und die Hühner zitieren, sondern ich werde jetzt zitieren, was über die Wirtschaftskammer beziehungsweise den Wirtschaftsbund in einer morgigen Zeitung zu lesen ist: Im Wirtschaftsbund herrscht allerdings auch Betroffenheit vor, weil man aufgrund der Reaktionen aus dem Ausland langfristige wirtschaftliche negative Auswirkungen befürchtet. – So reagiert in diesem Fall nicht die Sozialdemokratie und auch nicht irgendein Gewerkschafter, sondern der Wirtschaftsbund.

Um bei der Wirtschaftsdebatte zu bleiben: Wenn heute Mittag in der Sonder-ZiB der Moderator gemeint hat, dass ein neues politisches Produkt verkauft wird – die wichtigste Entscheidung ist meines Erachtens getroffen, das heißt, es gibt Blau-Schwarz, denn die Stimmenstärkeren sind die Blauen –, dann kann ich dem hinzufügen: Herr Schüssel hat das so gewollt. Es ist für mich auch eine Sensation, dass der Drittgereihte in der Wählergunst – denn man spricht immer vom Wählerwunsch – den Kanzler stellt. Okay, das mag so sein. Es wird sich zeigen, ob dieses Produkt auch angenommen wird.

Kollege Maier ist jetzt nicht mehr hier. – Natürlich haben wir alle für dieses Land große Verantwortung. Ich habe es schon gesagt: Wir werden keine wild gewordene Opposition sein. Ich nenne jetzt nicht all die Zitate wie jenes vom roten Kutscher, der gegen einen schwarzen ausgetauscht wurde, und so weiter und so weiter. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außenpolitik, Innenpolitik und EU-Politik sind allerdings letztendlich auch Wirtschaftspolitik. Vielleicht haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass wir keinen Schaden erleiden werden. Wir würden uns darüber freuen, wenn wir aufgrund dieser Regierungsbildung keinen Schaden erleiden.

Wenn der Herr Bundesminister sagt, dass die Kommentatoren in den Zeitungen jetzt etwas herbei schreiben, dann sage ich: Sie sollten die Bemerkung von Claus Raidl, der ein prononcierter Anhänger einer FPÖ-ÖVP-Koalition ist, im "Kurier" von vorgestern genau lesen; ebenso den Kommentar von Lorenz Fritz. Helmut Elsner sagt: Das ist ein Desaster. Der ÖVPler Treichl meint: Die ÖVP muss jetzt die Freiheitliche Partei überdecken. Christoph Leitl hat gesagt – ich zitiere das nicht vollständig –, dass das Fass voll sei.

Herr Bundesminister! Sie haben von der Börse gesprochen. Es stimmt, dass die Börsenkurse heute annähernd um 1 Prozentpunkt gestiegen sind. Gestern gab sie um 2,5 Prozentpunkte nach. Wir wissen, dass das natürlich das Gefälle ist, das innerhalb einer Woche entsteht. Aber wir wissen auch, dass unsere Aktien, unsere Produkte, meistens von großen amerikanischen Pensionsfonds gekauft werden. Wir wissen genau, dass es bei solchen politischen und wirtschaftspolitischen Dingen einen gewissen Sickerprozess gibt. Erst in einigen Wochen, Herr Bundesminister, werden wir sehen, wie sich die Börse tatsächlich entwickelt: Vielleicht haben Sie Recht. Vielleicht habe ich Recht. Wir dürfen jetzt noch nicht bewerten. Ich wüsche mir, dass Sie Recht haben, denn es wäre schlecht, wenn ich Recht hätte.

Es wurde heute schon über das große Zittern im Tourismus gesprochen. – Frau Gürtler, die der Sozialdemokratie in keinster Weise nahe steht, sondern mit Herrn Prinzhorn jagen gegangen ist und in der ÖVP beheimatet ist, befürchtet eine gewaltige Stornierungswelle. (Bundesrat Payer: Sie hat auch unseren Opernballwein verboten!)


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