Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 104

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Person gewissermaßen – das muss man sich vorstellen –: Staatsanwalt, Richter und Scharfrichter. Das ist eigentlich etwas, was in der Geschichte, glaube ich, nur in ganz wenigen Regimen praktiziert worden ist. Aber hier haben wir eine moderne "demokratische" Vorgangsweise, glaube ich, kennen gelernt. Demokratie in einer Person: Staatsanwalt, Richter, Vollzug.

Ich hoffe – es beginnt schön langsam; vielleicht bin ich zu optimistisch –, dass das Zurückrudern bald beginnen wird. Die erste Regierung, die zum Zurückrudern beginnt, hat den geringsten Gesichtsverlust zu befürchten. Die letzte Regierung, die zugibt, dass kein objektiver Tatbestand und kein Verstoß gegen die Rechtsordnung und Werteordnung der Europäischen Union stattgefunden hat, und damit auch zugibt, dass es eigentlich eine Domestizierung einer unliebsamen Regierung war, könnte dann ins Abseits geraten. Ich weiß nicht, welche es sein wird, ich weiß auch nicht, welche die erste Regierung sein wird, die damit beginnt.

Meine lieben Freunde von der ÖVP und von der FPÖ! Verehrte Kollegen von den Sozialdemokraten! Ich habe Heimweh, ich habe Heimweh nach de Gaulles Europa der Vaterländer! Wo ist dieses Europa der Vaterländer geblieben, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen?

Die europäischen Vormünder haben die Österreicher hier im Lande damals vor der Volksabstimmung betreffend den EU-Beitritt nicht gewarnt, nicht gesagt, dass sie sich einmal bilateral zu richten hätten, wenn ihnen einmal etwas nicht passt; dies nämlich unter Umgehung der EU-Spielregeln. Heißt bilateral heute: Hände hoch!?, so schreibt ein Kommentator in einer Zeitung. Man hat vor der Abstimmung auch nicht gesagt, dass die österreichischen Bundeskanzler stets Sozialdemokraten sein müssten und dass man weiters nicht rechts wählen dürfe – wobei die Begriffe "rechts", "links" und "Mitte" sowieso dehnbar sind. Aber all das hat man den Österreichern nicht gesagt!

Man hat auch bei der Euro-Volksabstimmung nicht gesagt, dass der Euro plötzlich um 20 Prozent abgewertet sein wird. Aber wir schlucken all das!

Eine groteske Internationale macht Österreich zu einem Prügelknaben. Unsere Hoffnung richtet sich daher nicht darauf, dass wir Recht gesprochen bekommen, und nicht nach der Wahrheit, sondern einfach darauf, dass die EU einen nächsten Prügelknaben aufbauen wird. Wer könnte der nächste Prügelknabe sein? – Etwa Spanien, die fackeln Ausländerheime ab, oder Belgien, dort ist der Vlaams Blok im Vormarsch. Es gibt noch einige andere, man könnte eine Liste anfertigen, wer der nächste Prügelknabe ist, und vielleicht Wetten darüber abschließen. Wenn es einen neuen Prügelknaben gibt, dann geht es uns vielleicht wieder besser.

Es berührt auch befremdlich, wenn man nicht EU-kritisch sein darf. Warum darf man nicht EU-kritisch sein? – Ein vernünftiger Menschenstandpunkt ist ja, kritisch zu sein, auch gegenüber dem Standpunkt, den man einnimmt. Man darf vielleicht auch der französischen Revolution – eine der blutigsten Revolutionen der letzten Jahrhunderte – nicht kritisch gegenüberstehen. Freiheit, Brüderlichkeit und – wie heißen diese drei Symbole? (Ruf: Gleichheit!) – Gleichheit, wenn man das nicht akzeptiert in allen Bereichen – es ist sehr schwierig, all das überall zu akzeptieren; das weiß jeder, der rechtskundig ist, und jeder, der philosophisch ist –, bekommt man vielleicht auch Schwierigkeiten. Oder: Müssen wir alle Ausländer gleich als Freunde empfinden? – Das war auch nicht vorgesehen und ist auch gar nicht notwendig und nicht zweckmäßig. Oder: Reduktion des Zuzugs, wobei Österreich sowieso jenes Land Europas ist, welches pro Kopf – möglicherweise auch den größten Anteil pro Staat gesehen – den größten Ausländeranteil aufgenommen hat. Man kann Österreich in dieser Hinsicht überhaupt nichts vorwerfen. Wir sind auf diesem Gebiet Vorbild für viele europäische Staaten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur: Die Sozialdemokraten sind vielleicht nicht bereit, das in diesem Sinne zu propagieren. Wir haben während mehrerer Revolutionen und Bürgerkriege, die in unserer Umgebung stattgefunden haben, die Ausländer wirklich mit großem Herzen und offenem Portemonnaie – das darf man ruhig auch sagen, denn: Tue Gutes und rede davon! – aufgenommen.

Wir werden daher gut daran tun, auf das Einstimmigkeitsprinzip im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen des Parlaments und bei den verschiedenen Abstimmungen, zu achten. (Bundesrat Meier:  ... gibt es kein Einstimmigkeitsprinzip!) Das Einstimmigkeitsprinzip ist das


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