Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 105

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Einzige, welches einem Kleinstaat die Möglichkeit gibt, gleichberechtigt neben den Großstaaten zu stehen. Dieses Einstimmigkeitsprinzip sollten wir mit Händen, Füßen und Zähnen verteidigen! Das ist vielleicht das einzig Grimmige, das ich heute hier sage: Das Einstimmigkeitsprinzip ist zu verteidigen!

Viele tun so, als wären die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erst vor zehn Jahren vergangen, übersehen dabei aber, dass 70 Jahre lang eines der blutigsten Terrorregime, nämlich das des Kommunismus, Europa überzogen hatte – nicht nur Europa – und erst vor zehn Jahren geendet hat, dass jene, die dieses Regime in ihrer Jugend gepredigt, verteidigt und gelobt haben, in vielen Regierungen Europas, in – wie man heute sagt – feinem Zwirn gekleidet, sitzen und sich als Freunde der großen Weltgemeinschaft darstellen. Ich akzeptiere das. Sie haben dazugelernt. Wer in der Jugend kein Revolutionär war, hat kein Herz! Wer nicht, wenn er älter wird, konservativ wird, hat kein Hirn! Also insofern stehe ich diesen Leuten durchaus positiv gegenüber, denn sie haben dazugelernt, sie haben Hirn. Aber man soll nicht einen anderen Staat, dessen schlechte Vergangenheit viel länger zurückliegt, ständig an den Pranger stellen. Das kann nicht die Aufgabe sein, speziell nicht jene von uns Parlamentariern, auch wenn wir uns hier nicht immer als Freunde, aber doch zumindest als Kollegen gegenübertreten.

Ich habe den Eindruck, dass zum Teil ein "europäischer Rinderwahnsinn" ausgebrochen ist; so ähnlich schreibt das Herr Bacher in der "Presse". Ich nehme gerne dieses Zitat auf: Dieser europäische, politische Rinderwahn muss erkannt werden! Diesen politischen Rinderwahn müssen wir erkennen und ausmerzen, den müssen wir los werden! Es muss wieder "Geschäft wie üblich" eintreten. Denn ein demokratischer Regierungswechsel in einem EU-Land, in Österreich, kann nicht als gefährliche Gefahr – ich nehme gerne dieses doppelte Wort in den Mund – gesehen werden. Wir sind keine gefährliche Gefahr – weder für einen Europäer noch für sonst jemanden auf der Welt. Bestenfalls sind hier in Österreich einige Österreicher eine Gefahr für ihr eigenes Land. Das soll auch ausgedrückt werden.

Die ehedem Kommunisten und linken Straßenkämpfer sitzen in europäischen Regierungen; kein Mensch betrachtet sie mehr als Gefahr. Ich erwarte mir aber jetzt auch einen aufrechten Gang von uns, da wir in der Regierung sind. Ich erwarte mir auch, dass die Herren, die unsere Politik nach außen tragen, auch nicht buckeln. Ich erwarte mir daher auch eine Reziprozität der Behandlung: Zieht ein Staat seinen Botschafter zur Berichterstattung ab, hätten wir das gleiche Recht, unter Selbstachtung die gleiche Pflicht, unseren Botschafter zur Berichterstattung herzuholen, unsere diplomatischen Beziehungen herunterzusetzen, wenn dies ein Staat, der uns früher besonders freundlich gegenübergestanden ist, macht. Wir machen es denen nach. Eines jedoch würde ich nicht nachmachen: Den Schüleraustausch sollten wir nicht aufgeben – darin hat Herr Kollege Meier völlig Recht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist eine unappetitliche Sache, wenn man Schüler in die politischen Auseinandersetzungen, von denen wir überzeugt sind, dass sie ungerecht geführt werden, hineinzieht. Würden sie auch gerecht geführt werden, hätten Schüler nichts in solchen Auseinandersetzungen zu suchen. Seit dem Zweiten Weltkrieg floriert der Schüleraustausch. Die Jugend vereinigt sich da und dort, und plötzlich gibt es wieder einige Leute, die das auf eine Ebene herabsetzen, welche schlichtweg als unappetitlich zu bezeichnen ist und die Jugend Europas wieder mit dem Keim vergiftet, dass man sich bei Kleinigkeiten wieder als Feinde gegenüberstehen müsste statt als Freunde, die miteinander gelernt haben, die gleichen Sprachen zu sprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Widerstehen wir dem kalten Staatsstreich, den die EU, indem sie vorgibt, die europäischen Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit zu schützen, in Österreich durchführen möchte! Österreich achtet die nationale Identität der Mitgliedstaaten genau so, wie dies Artikel 6 Abs. 3 des Vertrages über die EU den Mitgliedstaaten vorschreibt. Wir achten sie. Wir weigern uns, einen kalten Staatsstreich mitzumachen. Österreich wehrt sich. Das Eintreten einer freiheitlichen Partei in eine Regierung, in eine europäische Regierung, ist ein Zeichen der Selbstachtung der Europäischen Akte, weil wir die demokratischen Grundregeln einhalten und uns nicht von Ihnen,


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