Ein erheblicher Teil des Widerstandes ist aber offenkundig nicht dadurch geprägt, dass die FPÖ nach 14 Jahren wieder in der Bundesregierung vertreten ist, sondern dadurch, dass nach 30 Jahren die SPÖ nicht mehr in der Bundesregierung repräsentiert ist. Der in einer Demokratie stets möglich sein müssende Wechsel soll natürlich nicht zum Selbstzweck stilisiert werden. Er wird aber notwendig, wenn die Reformkraft erlahmt ist und das Wahlergebnis die Grundlage zur Veränderung geschaffen hat. Die sozialdemokratisch geführte Regierung sei zuletzt sklerotisch gewesen – laut "Duden" heißt das "krankhaft verhärtet" –, hat der links-liberale "Tagesanzeiger", eine Schweizer Zeitung, in seinem jüngsten Samstagmagazin diagnostiziert. Bruno Aigner hat die SPÖ kürzlich in der "ZiB 3" "ausgepowert" genannt – auch nicht gerade ein Attest für die notwendige Kraft zu Reformen.
Die eine große Herausforderung für unser Land – nicht nur für die Regierung – darstellende Kritik aus dem Ausland ist zu einem erheblichen Teil die teilweise bewusst herbeigeführte und stark verzerrte Widerspiegelung unserer innerstaatlichen Auseinandersetzung. Wenn bekannte Abgeordnete den Obmann einer Partei als Faschisten bezeichnen, dürfen wir uns natürlich nicht wundern, wenn das im Ausland – teilweise gerne – geglaubt wird.
Ganz ohne Einfluss wird auch die politische Solidarität des rot-grünen Spektrums in Europa nicht gewesen sein. Ich sage jetzt nicht einmal, dass das von Österreich aus befördert werden musste; da gibt es genügend internationale Eigeninteressen. In anderen weltanschaulichen Lagern, die es natürlich auch gibt, mag wohl eine Rolle spielen, dass damit innerstaatliche Probleme nach Österreich abgeschoben werden können. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)
Es ist in diesem Zusammenhang auch bemerkenswert, dass in den Mitgliedstaaten der EU – von den anderen Staaten habe ich Reaktionen lediglich seitens der Tschechischen Republik, aus einer besonderen Sensibilität her, im Ohr – kein einziger Satz des Regierungsprogramms bisher auf Kritik gestoßen ist. Da ist auch gar nichts zu finden, was mit der plötzlich so stark beschworenen europäischen Wertegemeinschaft im Widerspruch stünde. Nicht einmal in den Parteiprogrammen (Bundesrat Payer: Papier ist geduldig, Herr Kollege!) und Wahlprogrammen (Bundesrat Payer: Papier ist geduldig!) der die Bundesregierung stellenden Parteien: Auch da wird nichts zu finden sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Was die EU selbst betrifft, auf die sich der portugiesische Ratsvorsitzende – das wurde schon erwähnt – in vertragswidriger Weise berief, ist natürlich zu sehen, dass die Grenzen zwischen Innen- und Gemeinschaftspolitik sowie zwischen nationaler Souveränität und den Interessen anderer Staaten fließend geworden sind. Das mag man mögen oder nicht: Wir selbst haben das gegenüber Beitrittsländern auch schon geltend gemacht, wenn wir ehrlich sind.
Keinesfalls gutheißen kann man allerdings, wie und auf welchen Grundlagen solche Interessen durchzusetzen versucht werden. Man fühlt sich plötzlich in die Zeit vor der Gründung der Gemeinschaft zurückversetzt. Es wird neben Österreich auch die EU selbst viel Anstrengung kosten, berechtigtes Misstrauen in eine solche Vorgangsweise abzubauen. Dabei wird, als Gegengewicht zur Kabinettspolitik hinter verschlossenen Türen und zulasten der Kleinen, der unabhängig von dieser Vorgangsweise schon lange zurückgeforderten Transparenz der Entscheidungsfindung große Bedeutung zukommen und darauf hinzuwirken sein, dass die Spitze der Gemeinschaft nicht eigenmächtig so weit vorausschreitet, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Europa nicht mehr nachkommen können. Das ist übrigens auch ein Anliegen, das im Regierungsprogramm zu finden ist und das ich sehr unterstütze.
Zurück zum Regierungsprogramm und zu dem Maßstab, der im Bundesrat aus der Sicht der Länder anzulegen ist. Am 18. November hat der Vorarlberger Landeshauptmann im Namen seiner Kollegen hier darüber informiert, welche Erwartungen die Länder an die künftige Bundesregierung haben. Sie müsse Stabilität gewährleisten, aber auch verstärkt Reformen in die Wege leiten. Dieser von stabilen Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat getragene Reformwille ist so deutlich erkennbar, dass er manchen schon wieder zu weit geht. Wenn wir einen Blick ins Budgetloch und auf die Rahmenbedingungen der Währungsunion werfen, ist es aber wohl unausweichlich, dass die von den Ländern geforderten Reformen in der staatlichen Aufgabenerfüllung auch tatsächlich kommen.
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