Bundesrat Stenographisches Protokoll 666. Sitzung / Seite 165

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Meine Damen und Herren! Die Arbeiterkammern sind – es gibt diesbezüglich keine Nuance, in der sich meine Bewertung von jener des Kollegen Schaufler unterscheidet – ein wesentlicher Bestandteil des österreichischen sozialpartnerschaftlichen Systems, auf das Europa tatsächlich mit großem Interesse schaut. Natürlich hat jede Institution ihre Geschichte. Frau Staatssekretärin! Dass die Europäische Union in Entsetzen verfällt, weil es bei uns im Bereich der Kammern eine Zwangsmitgliedschaft, wie Sie das immer genannt haben, also eine obligatorische Mitgliedschaft gibt, ist schlichtweg falsch! Aber das soll bei Aussagen von Ihrer Seite öfters vorkommen! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Die Tatsache, dass wir hier eine bestimmte historische Entwicklung haben, ist eine Tatsache, die ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Das ist eine Frechheit! Das ist eine unglaubliche Frechheit!) Aber Herr Kollege! Warum liegen denn die Nerven heute so blank?

Herr Kollege d'Aron hat mit der ihm eigenen Art zu argumentieren eine Hasstirade – anders ist das nicht zu bezeichnen – gegen die Arbeiterkammern losgelassen. – Wahr ist, dass es dabei um eine Einrichtung geht, der die Arbeiter und Angestellten in diesem Land ein hohes Maß an Kompetenz zuerkennen. Es gibt aber nicht einen Arbeitnehmer, der – wie Sie so schön gesagt haben – das billigt. Ganz im Gegenteil! Unzählige Umfragen und die Inanspruchnahme der Einrichtungen der Kammern zeigen, wie sehr diese Einrichtungen ein Teil des Lebens der Arbeitnehmer sind. Weil die Arbeiterkammer in politischer Diskussion stand, sage ich: Es ist auch gelungen, einen hohen Prozentsatz – im Regelfall weit über 50 Prozent – der Arbeitnehmer dafür zu gewinnen, ihre Zustimmung zu dieser Einrichtung nicht nur bei den seinerzeitigen Abstimmungen, sondern auch diesmal durch die aktive Teilnahme an der Wahl zum Ausdruck zu bringen.

Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es in demokratischen Einrichtungen – das ist in der Gemeinde oder im Bundesland nicht anders –, in denen Wahlen durchgeführt werden, politische Mehrheiten: in sieben der Arbeiterkammern deutliche sozialdemokratische Mehrheiten, in zwei der Kammern deutliche Mehrheiten der FCG beziehungsweise des ÖAAB. Es ist wohl kein Zufall – ich will das gar nicht parteipolitisch vereinnahmen –, dass durchwegs die Präsidentenfraktionen gestärkt wurden, weil es eben eine große Gruppe von Arbeitnehmern gegeben hat, die einfach der Institution – der Präsident oder die Mehrheitsfraktion haben diese verkörpert – ihre Unterstützung bekunden wollten. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. d′Aron und Ing. Scheuch. )

Sie sind dabei durchgefallen! Aber glauben Sie mir: Demokratischer Geist beginnt dort, wo man zur Kenntnis nehmen kann, dass eine Institution gute Arbeit leistet, auch wenn man selbst dort einen politischen Misserfolg erleidet!

Ich sage nochmals: Im Gegensatz zu dem, was ich hier herausgehört habe, möchte ich Sie darum ersuchen – wir werden politischen Widerstand leisten, aber Minderheiten sind Minderheiten, und deren Möglichkeiten sind beschränkt –, jenen für unser Staatsgefüge und für unsere Gesellschaft verhängnisvollen Schritt oder andere Schritte nicht zu tun und nicht jetzt aus Groll darüber, dass Sie von den Arbeitern und Angestellten eine solch massive Zurückweisung erfahren haben, eine Einrichtung, die in deren Dienst steht, zu demolieren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der Plan hängt immer noch in der Luft, die Arbeiterkammer faktisch durch die 40-prozentige Kürzung des Beitragsniveaus ihrer Arbeitsmöglichkeiten zu berauben. Dieser Plan ist in Ihren Reihen ganz offensichtlich noch immer politisch virulent. Ich wende mich ganz offen an Kollegen Schaufler und die anderen Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, deren Qualifikation als Arbeitnehmervertreter – bei allen politischen Differenzen – ich nicht in Zweifel ziehen will, solche Pläne zu verhindern! Demokratische Einrichtungen sind nicht dann gut, wenn man in ihnen die Mehrheit hat oder dort gewinnt. Vielmehr sind demokratische Einrichtungen und Interessenvertretungen – wenn sie richtig konstruiert sind – als solche gut. Wenn man nicht gut genug ist, um gewählt zu werden – das gilt, wie Sie richtig gesagt haben, natürlich auch auf politischer Ebene –, dann hat man das bedauernd, aber mit dem Anreiz, mehr zu tun, zur Kenntnis zu nehmen! (Bundesrat Ing. Scheuch: Sie sprechen da aus Erfahrung!) – Selbstverständlich, Herr


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