Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 47

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Es erscheint mir notwendig, dass man sich damit, was dieser Kurztitel ausdrückt, auseinander setzt. Wenn man sich mit all dem Unfassbaren und Grauenhaften beschäftigt, beginnt man nach Worten zu suchen, um aufarbeiten zu können. Häufig sind es Begriffspaare, die einem in den Sinn kommen, Begriffspaare wie etwa Schuld und Sühne, Untat und tätige Reue, aber eben auch Vergebung und Versöhnung.

Meine Damen und Herren! Daher muss bei allem, was wir im Zusammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der NS-Zeit unternehmen, unmissverständlich die Bitte um Vergebung zu spüren sein. Das ist meiner Ansicht nach eine, ja die Voraussetzung dafür, dass die Opfer zur Versöhnung bereit sind beziehungsweise zur Versöhnung bereit sein können.

Leider ist noch immer viel Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung zu leisten, damit bei allen ein objektives Bild über geschehenes Unrecht entsteht. Nach wie vor stehen wir im Spannungsfeld zwischen Erinnern und Vergessen. Wir sind aber auf gutem Wege, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen und eine bessere Zukunft des Miteinanders zu erreichen.

An dieser Stelle möchte ich auch einen besonderen Dank aussprechen. Der Dank an Sie, Frau Präsidentin, kommt noch; aber jetzt möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, auch Herrn Präsidenten Jabloner und der Historikerkommission einen Dank auszusprechen. Denn die Historikerkommission hat zwei Gutachten zum Themenbereich Zwangsarbeit in Auftrag gegeben und damit ermöglicht, dass die Wahrheit ans Licht gebracht werden kann. Wenn man Wahrheit ans Licht bringt, ist das ein erster Sieg der Gerechtigkeit und ein Trost für die Opfer.

Die Geste, die wir mit der Einrichtung des Fonds setzen, kann niemals das Leid ungeschehen machen. Aber tätige Reue ist es allemal, wenn der Fonds rasch aufgefüllt wird und Österreich damit einen Beitrag im Sinne des Bewusstseins von Verantwortlichkeit gegenüber geschundenen und gedemütigten Menschen leistet.

Ich hoffe daher, dass diejenigen, die aufgefordert sind, den Fonds zu füllen, nicht zu abwartend und zögernd an die Sache herangehen und nicht erst durch wachsenden Druck von Klagsdrohungen und öffentlichen Äußerungen, insbesondere in den USA, konkrete Schritte zur Auffüllung des Fonds unternehmen werden. Im Interesse des Rufes Österreichs, aber vor allem und zuallererst im Interesse der vielen Betroffenen, die in den Staaten Osteuropas oft unter bedrückenden und teilweise menschenunwürdigen Umständen ihren Lebensabend verbringen müssen, ist Eile angesagt. In jedem Monat, der verstreicht, sterben Hunderte Betroffene, ohne je eine finanzielle Leistung für die von ihnen erbrachte Arbeit erhalten zu haben.

Meine Damen und Herren! Wir können nicht wieder gutmachen. Wir können nicht moralisch freigesprochen werden. Wir dürfen nicht vergessen. Wir dürfen schon gar nicht versuchen, aufzurechnen. Eigenes Leid darf niemals dazu führen, die Opferrolle für sich zu reklamieren und damit blind gegenüber dem Leiden der Mitmenschen zu sein.

Durch die Einrichtung des Fonds befreien wir uns von dem Odium der Vergesslichkeit und der Verdrängungstaktik. Sie, verehrte Frau Präsidentin, haben großen Anteil daran. Wir sind Ihnen und allen, die mit Ihnen gearbeitet haben, zu ganz großem Dank verpflichtet! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch etwas sehr Persönliches zu diesem Thema. Mein Vater hat manchmal erzählt, dass er zu Ende des Krieges von bereits im Innviertel stehenden amerikanischen Truppenangehörigen zu einem Lager für polnische Zwangsarbeiterinnen gebracht wurde. Das deutsche Wachpersonal hatte die Flucht ergriffen und die Frauen mit ihren Säuglingen dem Hungertod und tödlichen Krankheiten preisgegeben. In den Augen meines Vaters konnte ich sehen, und am Klang seiner Stimme konnte man hören, wie sehr ihn dieses Erlebnis erschüttert hat und wie verzweifelt er darüber war, dass Menschen Menschen Derartiges antun können.

Ich glaube, er wäre heute sehr erleichtert und sehr zufrieden darüber, dass dieses Gesetz zu Stande kommt. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

11.27


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