Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 52

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Der Dank, dass es möglich war, binnen so kurzer Zeit eine Lösung zu finden, die auch international auf große Anerkennung und Resonanz gestoßen ist, gilt aber auch – das ist heute schon mehrmals und zu Recht erwähnt worden – der Regierungsbeauftragten Dr. Maria Schaumayer und ihrer Task-Force, die in weniger als fünf Monaten das vorliegende Gesetz ausgearbeitet haben. Ich darf mir privat eine Meinung erlauben: Auf der nach oben hin offenen Skala für Verhandlungsgeschick, Kompetenz und Zielorientiertheit setzt Frau Dr. Maria Schaumayer damit neue Maßstäbe. (Allgemeiner Beifall.)

Ich weiß, dass das, was für uns alle im Umgang mit dieser Materie und mit vielem, was hier noch kommt, aufgedeckt wird und von der Historikerkommission bestätigt oder aufgedeckt wird, für uns alle eine Verpflichtung sein wird, so damit umzugehen, wie sie uns das vorgelebt hat.

Wir haben seit 1995 verschiedene Maßnahmen gesetzt, um Aspekte des während der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Unrechts aufzuarbeiten beziehungsweise allfällige materiell-rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Ich darf in erster Linie auf den 1995 vom National- und Bundesrat beschlossenen und bei diesem Hohen Haus angesiedelten Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus verweisen, weiters auf die Einsetzung der so genannten Historikerkommission, auf die Initiativen zur Rückgabe in den Besitz österreichischer Bundesmuseen gelangter Kunstgegenstände, die während der NS-Zeit ihren Eigentümern unrechtmäßig entzogen worden waren, und die Beteiligung Österreichs am internationalen "Nazi Persecutee Relief Fund".

Das heute zur Beschlussfassung anstehende Gesetz soll ein weiterer wichtiger Mosaikstein im Rahmen dieser Maßnahmen sein. Ich möchte dabei ausdrücklich unterstreichen, dass es sich dabei niemals um einen moralischen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der österreichischen Vergangenheit handelt; vielmehr geht es darum, gegenüber den noch lebenden Opfern des Nationalsozialismus eine Geste der Versöhnung zu setzen.

55 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzt Österreich mit dem vorliegenden Gesetz eine Geste an einen Personenkreis, der auf besondere Weise unter dem NS-Regime gelitten und bisher noch nie nennenswerte Entschädigung erhalten hat: Sklaven- und Zwangsarbeiter, die von einem verbrecherischen Regime als Zivilpersonen deportiert und zur Arbeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich gezwungen wurden oder als Österreicher aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, der Religion, der Nationalität oder anderer Diskriminierung zur Arbeit verpflichtet wurden.

Die Leistungen, die den ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern aufgrund des Versöhnungsfonds zugute kommen werden, sind eine freiwillige Geste Österreichs und der österreichischen Wirtschaft, mit der der Beitrag der Sklaven- und Zwangsarbeiter zur damaligen Wirtschaft, der heute noch in manchen Fällen nachwirkt, anerkannt wird.

Das von Maria Schaumayer ausgearbeitete Konzept sieht eine unmittelbare Zusammenarbeit mit den Betroffenen – ohne die Mediation von Anwälten – vor. In einem Brief, der gegenwärtig an alle österreichischen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern ausgesendet wird, wird um eine freiwillige Einzahlung in den Versöhnungsfonds gebeten, quasi als eine Geste moralischer Solidarität der österreichischen Privatwirtschaft. Ich bin froh darüber, dass erste Unternehmen bereits mit gutem Beispiel vorangegangen sind; der Bund und die Länder werden ebenfalls ihren Beitrag zu den veranschlagten 6 Milliarden Schilling leisten.

Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, durch bilaterale Verhandlungen mit den Heimatländern der Opfer bald Rechtsfrieden für die Unternehmen herbeizuführen, was für die Erschließung der Märkte in Osteuropa und den USA auch ein wesentliches Element für die österreichische Wirtschaft ist. Zuversichtlich bin ich auch im Hinblick auf die Anzahl der Firmen, die sich bereit erklären werden, an dieser solidarischen Aktion mitzuwirken.

Unter dem Titel "Wider die Sünden des Vergessens" hat Erhard Busek anlässlich des 90. Geburtstages von Simon Wiesenthal, im Dezember 1998, geschrieben: Diese Vergangenheit kann schnell Gegenwart sein, wenn wir sie hinter uns zu lassen glauben.


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