Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 70

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Arbeitnehmer finanzieren ihre Pensionen zu 84,4 % selbst

Gewerbetreibende mit 48,6 %, Bauern mit 31,1 %

1/5 = 340 000 Bauern und Gewerbetreibende: Bundesbeitrag 25,3 Mrd

4/5 = 1,6 Millionen Arbeitnehmer: Bundesbeitrag 37,7 Mrd.

Mitarbeiter des ORF filmen die Tafeln. – Unruhe im Saal.)

13.03

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Vizekanzlerin! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die von der FPÖ/ÖVP-Regierung geplanten dramatischen Verschlechterungen im Pensionsrecht sind meiner Meinung nach eine grobe Missachtung des verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutzes, der wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Bundesrat sicher nicht die Zustimmung geben können.

Die überfallsartige Anhebung des Pensionsalters ab 1. Oktober 2000, der Wegfall der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit und die Reduktion der Witwen- und Witwerpension bis auf null Prozent sind Maßnahmen, die Tausende Österreicherinnen und Österreicher zu Unrecht schwer treffen werden.

Die FPÖ/ÖVP-Regierung geht von der Fehleinschätzung aus, dass es allein in der Entscheidungsfreiheit der betroffenen Kolleginnen und Kollegen, der Bürgerinnen und Bürger liege, ob sie über das vorzeitige Pensionsalter hinaus in Beschäftigung bleiben können. Mehr als 50 Prozent der Pensionseintritte erfolgen nicht im Anschluss an eine Beschäftigung, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern im Anschluss an Arbeitslosigkeit beziehungsweise nach langen Krankenständen. (Anhaltende Unruhe im Saal im Zusammenhang mit den aufgestellten Tafeln.)  – Darf ich um Ruhe bitten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Am Wort ist Kollege Drochter. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Allein die Tatsache, dass bei diesem Vorhaben der Regierung die meisten strukturellen Schwächen des Pensionssystems – keine Beschäftigungsmöglichkeiten für den Großteil der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, keine kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten, wie ich bereits erwähnte, sowie ungerechte Finanzierungsstrukturen bei den Pensionen – ungelöst bleiben, zeigt unserer Ansicht nach, dass es der Regierung vorrangig nicht um eine langfristige Lösung und Sicherung geht, sondern in erster Linie um eine Demontage der gesetzlichen Pensionsversicherung. Ich glaube, durch dieses Verhalten verdienen diese Regierung und auch Sie, sehr geehrte Frau Vizekanzlerin, die "rote Karte"! (Die Bundesrätinnen und Bundesräte der SPÖ halten rote Karten in die Höhe. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei allen Fraktionen.)

Obwohl die gute Finanzlage im Familienlastenausgleichsfonds und in der Arbeitslosenversicherung die Chance bieten würde, über die Jahre 2000 und 2001 hinaus für die Finanzierung der von der Pensionsversicherung getragenen Ersatzzeiten wie der Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit zu sorgen, fehlt bis heute auch die Finanzierung der Ersatzzeitenanrechnung für den Wehr- und Zivildienst zur Gänze.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die deutliche Anhebung der Eigenfinanzierungsquote bei den Gewerbetreibenden und den Bauern ist unverzichtbar. Die Pensionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden zu 84,4 Prozent aus den laufenden Beitragseinnahmen finanziert, die der Gewerbetreibenden aber nur zu 48,6 Prozent und die der Bauern gar nur zu 31,1 Prozent.

Für zirka 1,6 Millionen Pensionisten aus unselbständiger Tätigkeit werden rund 37,7 Milliarden Schilling aufgewendet. (Anhaltende Zwischenrufe und Unruhe im Saal.)


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