Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 187

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Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierung! Sie verurteilen junge Mädchen und Burschen durch die Ausweitung der Vorlehre zu billigster Hilfsarbeit ohne weitere Zukunftschancen. Die Vorlehre – das wissen Sie ganz genau – hat sich schon bisher nicht besonders bewährt. Daher geben wir Sozialdemokraten dieser Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes nicht die Zustimmung.

Die geplante Vorlehre für alle wird für viele Jugendliche mit einer "Schmalspurausbildung" und ohne qualifizierten Berufsschulabschluss in eine berufliche, bildungsmäßige Sackgasse führen, aus der es nur unter schwierigsten Bedingungen eine Umkehr geben kann – wenn das überhaupt der Fall sein wird.

In der Vorlehre werden nämlich nur bestimmte einfache Tätigkeiten angelernt, und das bis zu drei Jahre lang für eine Lehrlingsentschädigung auf dem Niveau des ersten Lehrjahres.

Dazu kommt noch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Vorlehrlinge keinen anerkannten Lehrabschluss haben. Sie können nur in eine richtige Lehre wechseln, wenn der Lehrberechtigte dazu seine Zustimmung gibt. Sollte der Lehrberechtigte dem Wechsel in eine Lehre zustimmen, dann wird von der Vorlehre weniger angerechnet, als das bisher der Fall gewesen ist. Der Jugendliche lernt dann für seinen Lehrabschluss nicht mehr drei Jahre, sondern viereinhalb und im Höchstfall sogar fünfeinhalb Jahre lang.

Bisher war die Vorlehre für behinderte und für besonders lernschwache Jugendliche vorgesehen. Auch das Arbeitsmarktservice hatte ein gewichtiges Wort mitzureden und war bei der Zuteilung der Vorlehre beigezogen.

Die Mitgestaltung und die Mitverantwortung des Arbeitsmarktservices bei der Vorlehre wurde aus diesem Gesetz bewusst herausgestrichen. Jetzt – das sind die Folgen – können Unternehmen einseitig die Vorlehre auf alle Lehrberufe und auf alle Jugendlichen ausweiten. Mit diesem so genannten "Pakt für die Jugend" liefert die Österreichische Volkspartei gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei mit ihrer Regierung die Jugendlichen vollständig an die Unternehmen aus. Diese Regierung zieht sogar noch den jüngsten und den schwächsten Gliedern in der Arbeitswelt das Geld aus der Tasche.

Ich darf das an einem Beispiel eines Frisörlehrlings deutlich machen: Ein Vorlehrling bekommt nach jetziger kollektivvertraglicher Regelung in drei Jahren eine Lehrlingsentschädigung im Höchstausmaß von 138 000 S. Ein Lehrling im dualen Ausbildungssystem würde für den gleichen Zeitraum 194 000 S bekommen. Die Ersparnis für den Lehrherrn beträgt somit 56 000 S. (Bundesrätin Haunschmid: Der ist ja gar nicht so einsatzfähig!) Als besonderes Dankeschön hat der Vorlehrling nach drei Jahren keinen Anspruch auf ein echtes Lehrverhältnis! (Bundesrätin Haunschmid: Der ist ja gar nicht so einsatzfähig wie ein anderer! So etwas Blödes!)

Die Zeche dieser "Schmalspurausbildung" zahlen die jungen Burschen und die jungen Mädchen sowie deren Eltern. Für viele wird nach der Vorlehre der nächste Weg wahrscheinlich jener zum Arbeitsmarktservice sein, um einen Umschulungsplatz beziehungsweise Arbeitslosengeld zu beantragen. Das sind wieder zusätzliche Kosten, ganz abgesehen von dem persönlichen Leid, von dem diese jungen Burschen und Mädchen betroffen sein können. Manche Mitarbeiter des Arbeitsmarktservices sagen voraus, dass künftig auch Hilfsarbeiter durch billigere Vorlehrlinge ersetzt werden.

Wir fordern daher eine Einschränkung der Vorlehre, eine Ausdehnung des Lehrinhaltes des ersten Lehrjahres auf zwei Jahre, eine erhöhte Lehrlingsentschädigung im zweiten Vorlehrjahr und eine einheitliche Probezeit für Lehrlinge und Vorlehrlinge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Berufsausbildungsgesetz beinhaltet noch weitere Diktate, auch für Burschen und Mädchen, die sich im dualen Ausbildungssystem befinden: So wird die Probezeit auf drei Monate verlängert, es erfolgt eine Ausweitung der Arbeitszeit bis 23 Uhr im Gastgewerbe, eine Verkürzung der Behaltefrist von vier auf drei Monate, eine Förderung von Ausbildungsbetrieben ohne die bisher notwendige Qualifikations


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