Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 195

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haben nichts gegen die Lehre und gegen das duale Ausbildungssystem. Aber wir haben verdammt viel gegen die Ausbeutung unserer Jugend! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Prähauser: Bravo! – Weitere Zwischenrufe.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in Kärnten eine Untersuchung durchgeführt. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wer?) Wir haben uns Daten von der Wirtschaftskammer geben lassen und uns angesehen, wo die ehrenwerten Unternehmer – solche sitzen angeblich auch hier – ihre Kinder hinschicken. Es war für uns höchst erfreulich – oder auch nicht erfreulich, je nachdem, wo man bei der ganzen Betrachtung steht (Ruf bei den Freiheitlichen: Wo steht ihr denn?)  –, dass die Unternehmer, die durch die Wirtschaftskammer – daran können Sie sich höchstwahrscheinlich noch erinnern – ganz groß "Karriere mit Lehre" plakatieren ließen, ihre eigenen Kinder nicht in der Lehre haben, wo sie Karriere machen, sondern in den höheren Schulen. (Bundesrat Grissemann: Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Freunde von der FPÖ und der ÖVP! Ich möchte Sie bitten und auffordern (Bundesrat Grissemann: Mein Bub ist Mechanikerlehrling!), endlich ehrlich zu unserer Jugend zu sein. (Bundesrat Weilharter: Wie viele Lehrlinge haben denn Sie ausgebildet?) Ich würde den Jugendlichen auch empfehlen, nicht auf Ihre Karriereversprechen einzusteigen, sondern in Österreich die berufsbildende mittlere und höhere Schule zu besuchen. Denn dort werden sie besser ausgebildet und nicht ausgenützt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde mir jetzt die weiteren Ausführungen sparen, weil sehr viele wahre Dinge bereits gesagt wurden. (Bravorufe und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Aber, liebe und sehr geehrte Damen und Herren, es ist eine Katastrophe! (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.) Da hat man auf Profitinteressen hin orientiert gesetzliche Rahmenbedingungen formuliert, ohne darüber nachzudenken, wie die benachteiligten Kinder unserer Gesellschaft pädagogisch ausgebildet werden sollen. (Bundesrat Steinbichler: So arm sind die Kinder, ganz fürchterlich, wenn Sie sie so sehen ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Zum Abschluss: In dieser Gesetzesnovelle steht formuliert, dass benachteiligte Jugendliche mit persönlichen Vermittlungshindernissen der Personenkreis sind, der für die Vorlehre vorgesehen ist. Das ist sowieso das Größte, dass jetzt die Unternehmer feststellen, wer die benachteiligten Kinder sind. Das ist, so finde ich, eine Sauerei gegenüber unserer Jugend! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.30

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mares Rossmann. Ich erteile dieses.

22.30

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Manchmal wundere ich mich nicht, dass es manche Zustände in dieser Republik gibt, wenn ich Ihre letzten Debattenbeiträge gehört habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie sprechen vom Verabschieden von der Lehrlingsausbildung. Sie sprechen vom Profitinteresse der Betriebe.

Ich kann Ihnen auch aus meiner Erfahrung – ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrherrin mindestens 50 Lehrlinge ausgebildet – sagen: Man ist gerne bereit, Lehrlinge auszubilden. Sie kosten Zeit, Nerven und viel Geld. Das duale Ausbildungssystem ist eben so, dass der Unternehmer seinen Beitrag leistet, um die Jugendlichen an eine Berufsausbildung heranzuführen. Aber in allen Debatten wird immer vergessen, dass auch das Elternhaus das Seine dazu beiträgt, mehr als sonst wo! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sehe diese Form vor allem der Vorlehre als den endlich erfolgenden Schritt in die richtige Richtung, um benachteiligte Jugendliche wirklich an eine Lehre heranzuführen. Hier spreche ich auch aus eigener Erfahrung in zweijähriger Tätigkeit als Stadträtin für Wirtschaft in Graz.


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