Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 37

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Der gegenständliche Vertrag enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Abkommens die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

11.45

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In aller Kürze, damit für meine Kollegen mehr Zeit bleibt: Ich glaube – zumindest hoffe ich es –, dass sich dem § 84 Strafprozessordnung niemand leichtfertig nähert. Was zunächst wieder befremdet, ist die formale Vorgangsweise um diese Novelle. Da wird zunächst ein Gesetzentwurf in Begutachtung geschickt – etwas, was in letzter Zeit eigentlich ungewöhnlich ist –, dann langen Stellungnahmen dazu ein – etwas, das nicht so ungewöhnlich ist –, dann kommt dieser Antrag allerdings nicht in den Ausschuss, sondern wird durch einen Initiativantrag ersetzt. Aber auch dieser wird dann nicht im Ausschuss beschlossen, auch nicht in einem kleinen Abänderungsantrag, sondern – wie es der Ausschussbericht so schön zitiert – durch einen gesamtändernden Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen ersetzt. Also: Begutachtung, Stellungnahmen, Initiativantrag, gesamtändernder Abänderungsantrag.

Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls einen sehr fundierten Abänderungsantrag der Rechtsanwaltskammer – das haben alle Experten, im Übrigen auch alle politischen Fraktionen bestätigt –, aber er wird nicht beschlossen. Er soll, die Fristen der StPO betreffend, zuerst in Begutachtung gehen. Ich glaube, dass man es bei einer derartigen Vorgangsweise wohl niemandem übelnehmen kann, wenn er den Eindruck gewinnt, dass eine gewisse mangelnde Koordinierung innerhalb der Regierung besteht.

Aber zurück zu § 84 Abs. 2a Strafprozessordnung. Wir haben mit Sicherheit ein sehr sensibles, sehr ernstes Thema vor uns, das eine sorgfältige Interessenabwägung notwendig macht, die, so glaube ich, mit der StPO-Novelle 1993 durchaus erfolgt ist, der auch eine lange Begutachtung voraus gegangen ist, und in der die gegenständliche Ausnahme von der generellen Anzeigepflicht normiert wurde.

Es wurde damals ein durchaus sinnvoller Ausgleich zwischen den Interessen des Opferschutzes, der effektiven Opferhilfe, und auch der Strafverfolgung getroffen. Jetzt ist schon klar, dass nichts für ewig festgeschrieben sein muss und dass es selbstverständlich legitim ist, über bestehende Regelungen zu diskutieren, sie zu ändern, sie in Frage zu stellen. Das Problem, das ich im vorliegenden Fall sehe, ist aber jenes, dass die Evaluierung dieser gegenständlichen Bestimmungen in der Praxis durchaus gezeigt hat, dass diese Bestimmung sinnhaft ist, dass sie sich bewährt hat.

Es gibt dazu auch Statistiken und Studien, dass seit der Einschränkung der Anzeigepflicht kein Sinken der Anzeigen etwa wegen sexuellen Missbrauchs oder Kindesmissbrauchs zu verzeichnen war, sondern – im Gegenteil – ein Anstieg. Gleichzeitig gab es aber auch eine zunehmende Sensibilisierung der betroffenen Stellen. Es gibt, wie gesagt, auch wissenschaftliche Studien, die eine deutliche Korrelation zwischen diesen beiden Parametern festgestellt haben.


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