Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 42

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Daher ist es meines Erachtens eher zynisch, die von der SPÖ propagierte Zurückdrängung der Anzeigepflicht mit der vorrangigen Wahrung des Wohles der Kinder zu begründen. Mehr als kühn ist auch die weitere These, dass erst die 1993 verfügte Einschränkung der Anzeigepflicht zu einer Sensibilisierung der mit solchen Fällen konfrontierten Berufskreise geführt habe. Vorher waren Ärzte, Lehrer und Jugendwohlfahrtsbehörden für diese Thematik nicht sensibel? – Das ist eine sehr schwer wiegende Unterstellung!

Zu betonen ist dabei, dass ohnehin die so genannten Helferverbände wie bisher von der Anzeigepflicht in gewisser Weise ausgenommen sind. Es wird bloß für den Fall, dass es im Interesse des Opfers erforderlich ist, dazu aufgefordert, auch tatsächlich Anzeige zu erstatten.

Ich bekenne mich auch dazu, gegen jede – auch das ist heute schon angesprochen worden – Aufweichung des Legalitätsprinzips und damit zugleich gegen die schleichende Aushöhlung der Strafdrohungen einzutreten. Dabei geht es mir durchaus nicht um die Vergeltung, sondern allein um die Aufrechterhaltung der Generalprävention und der Spezialprävention durch das Strafrecht, das sonst seine institutionelle Aufgabe völlig einbüßen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Nittmann: Genau so ist es!)

Deshalb lehne ich auch die bestechend klingende, zunächst sympathisch anmutende These ab, dass der Opferschutz wichtiger als die Strafverfolgung ist. Denn sie suggeriert, dass die Strafandrohung und Strafverfolgung von Straftaten etwa gar nicht dem Opferschutz diene. Dann wäre es aber meines Erachtens viel ehrlicher – würde man das wirklich meinen –, vom grundsätzlichen Versagen des Strafrechts als Institution im Ganzen zu reden und sich den seinerzeitigen Illusionen Christian Brodas von der gefängnislosen Gesellschaft hinzugeben.

Was sonst soll denn die Behörde oder öffentliche Dienststelle, die von Gesetzes wegen dazu aufgerufen ist, konkret unternehmen, um den Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdungen zu gewährleisten? – Eingewurzelte Hangtäter im Bereich der Familie vor allem beim sexuellen Kindesmissbrauch müssen meines Erachtens sanktioniert werden.

Wir scheuen uns zu Recht auch nicht, Gewalt in der Familie ausübende Mitglieder – leider Gottes primär Männer; wobei ich nicht bedauere, dass es nicht primär Frauen sind – vor allem auch beim Kindesmissbrauch auf Monate aus der gemeinsamen Wohnung zu entfernen, ihnen die Rückkehr zu verbieten und sie unter Umständen auch einer Kontaktsperre mit anderen Familienmitgliedern zu unterwerfen – zu Recht! Auch sie werden, so besehen, zumindest zeitweise "aus dem Verkehr gezogen", wenn Sie mir diese unschöne Diktion gestatten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Somit können Sie uns nicht unterstellen, dass es uns dabei bloß um "Law and order" oder gar um Rache als Strafziel gehe. Vielmehr erachten wir diese ohnehin recht moderate Rückkehr zur früheren, weitaus strengeren Rechtslage im Sinne des Opferschutzes für völlig unerlässlich.

Wogegen wir uns allerdings mit aller Entschiedenheit wenden, ist eine solche ideologische Ausrichtung in Einzelbereichen der Sozialarbeit, die es propagiert, den Täter so lange wie nur möglich im Familienkreis zu belassen, und die die ganze Familie einschließlich der Betroffenen als Einheit therapieren will, also auch die Opfer – die offenbar mitschuldig sind, dass es Täter gibt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das unterstellen Sie uns jetzt aber nicht!) Für solche verantwortungslose Utopien wird meine Fraktion niemals zu gewinnen sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir begrüßen – um jetzt zu einem harmloseren und sicher wieder konsensualeren Thema zu kommen (Bundesrat Mag. Hoscher: Das war absolut nicht harmlos!)  – auch die Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und zur Gegenausführung in Fällen von überlanger Verfahrensdauer und in hochkomplexen Strafverfahren – wir haben solche vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität bedauerlicherweise erlebt – sowie die Vereinheitlichung der Rechtsmittelfristen durch die Festlegung einer vierwöchigen Frist für die Gegenausführung auch im bezirksgerichtlichen Verfahren.

Damit ist einer an sich berechtigten Forderung der Rechtsanwaltschaft im Bereich der Strafverteidigung – das ist durchaus auch ein rechtsstaatliches Anliegen des strafrechtlich Verfolgten –


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