Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 43

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Rechnung getragen worden, weil eben in Fällen, in denen das Verfahren jahrelang gedauert hat, der Akt Hunderte Seiten oder in Grenzfällen Tausende Seiten umfasst und die Richter selbst schon zur Ausfertigung der Protokolle – geschweige denn zur Urteilsfällung – Monate gebraucht haben, sodass man dann vom Verteidiger seriöserweise nicht verlangen kann, dass er ein adäquates Rechtsmittel binnen vierzehn Tagen oder auch vielleicht nur binnen vier Wochen einbringt.

Die neu vorgesehene amtswegige Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag, zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung, erscheint auf den ersten Blick autoritär, ist aber in Wirklichkeit dazu gedacht, sein rechtliches Gehör zu wahren. Denn wir hatten Fälle, in denen zwar völlig berechtigte Schuldsprüche vorlagen, die in höherer Instanz bestätigt worden waren, deswegen dann aber in Strassburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich bekämpft werden konnten, weil man sagen konnte, dass der Angeklagte bei der Rechtsmittelverhandlung nicht selbst anwesend war und gehört wurde. Das hätte wahrscheinlich nicht für die Schuldfrage – das muss man realistischerweise sagen –, aber vielleicht für den persönlichen Eindruck in Bezug auf die Strafbemessung eine Rolle spielen können.

Auch die Neuregelung, dass ein Freigesprochener von Amts wegen zu verständigen ist, wenn der Freispruch wegen Rückziehung eines zunächst vom Staatsanwalt angemeldeten, aber dann zurückgezogenen Rechtsmittels rechtskräftig geworden ist, begrüße ich. Denn das ist wirklich eine Serviceleistung für den Betroffenen, der sonst einem unangenehmen Schwebezustand ausgesetzt ist. Ich glaube, das ist ein Beitrag zur viel propagierten Bürgerfreundlichkeit der Justiz.

Lassen Sie mich nun zur zweiten Vorlage kommen, bei der ich auch vorwegnehme, dass wir ihr im Ergebnis zustimmen werden, weil sie ein aus humanitären Gründen verständliches Anliegen vertritt. Trotzdem mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube und stelle fest, dass ich diesem staatsvertraglichen Abkommen mit der Republik Kuba weitaus reservierter als der Strafprozessnovelle 2000 gegenüberstehe.

Richtig ist einmal Folgendes: Mit 44 anderen Staaten – ich weiß nicht, ob das jetzt ganz exakt ist; ich glaube es – besteht ein internationales, vom Europarat inspiriertes Abkommen, das es den Mitgliedstaaten wechselweise ermöglicht, den Vollzug eines im Ausland gefällten Schuldspruches eines Strafgerichtes im Heimatstaat des verurteilten Täters durchzuführen, also den Schuldspruch zu vollziehen. Es ist ein Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen. Mangels Teilnahme Kubas – naturgemäß – an diesem Übereinkommen und auch mangels Gegenseitigkeit hat es eine solche Möglichkeit im Verhältnis zu Kuba bisher nicht gegeben.

Nun verkenne ich nicht, dass sich im Zeitalter des weltweiten Reiseverkehrs, nicht zuletzt in die wunderschöne Karibik, auch Österreicher sehr gerne und vielleicht auch längere Zeit in Kuba aufhalten und unerfreulicherweise auch möglicherweise straffällig werden können, sodass die dortigen Strafgerichte verständlicherweise ihre Zuständigkeit in Anspruch nehmen. Ferner stelle ich völlig außer Streit – ohne jetzt Kuba diskriminieren zu wollen –, dass die Verbüßung einer Haftstrafe in kubanischen Gefängnissen äußerst belastend sein kann. Etwas verschämt drücken das die Erläuterungen so aus, dass das etwas andere Umstände als in Österreich bei den Haftbedingungen sind.

Gewiss wird daher der verurteilte Österreicher die einschlägigen heimischen Etablissements des Strafvollzuges vorziehen. Wir haben auch zwei tragische Fälle gehabt. In dem einen Fall ging es um einen österreichischen, meiner Erinnerung nach aus der Steiermark stammenden Studierenden, der einen Autounfall mit tödlichem Ausgang herbeiführte, zu sechs Jahren Haftstrafe verurteilt wurde und dann den entsprechenden Haftbedingungen, wie sie nun einmal dort herrschen, ausgesetzt war.

Dennoch – darum meine einleitende Reserve – weist das Abkommen für mich den Schönheitsfehler auf, dass wir uns klar vor Augen führen müssen, was ein solches Abkommen über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen in Wirklichkeit bedeutet. Es setzt nämlich voraus, dass wir die entsprechenden kubanischen Strafurteile aner


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