Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 47

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Das ist insbesondere im Sexualstrafrecht, vor allem wenn es sich um den Schutz von Minderjährigen handelt, ein sehr sensibles Thema. Ich denke, dass man einen sehr klugen Mittelweg wählt, auch in Abgrenzung von Vorschlägen, die in ihrer Radikalität – ich erwähne nur die Einbindung der Bürgermeister – auch nicht mein Wohlgefallen finden würden und die ich für bedenklich hielte. Aber ich glaube, auf einen solchen Mittelweg muss man sich verständigen können.

Ich möchte aber die Problematik der Anzeigepflicht einmal aus einem anderen Blickpunkt beleuchten, insbesondere auch deshalb, weil es schon mehrfach Willensäußerungen der Länder gegeben hat. Es gibt nämlich auch nach dem Verwaltungsstrafgesetz und in den Verwaltungsvorschriften eine Anzeigepflicht, nach der die Behörde und ein Dienststellenleiter verpflichtet sind, Übertretungen zur Anzeige zu bringen. Das ist in § 21 des Verwaltungsstrafgesetzes festgehalten, und dort ist auch ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn die Anzeige erstattet ist, natürlich einen gewissen Spielraum hat: Sie kann unter den dort erwähnten Bedingungen von einer Strafe absehen.

Ich darf kurz zitieren: "Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten." – Das klingt vernünftig, und das ist es in der Praxis auch.

Allerdings entbindet es Verwaltungsorgane nicht von der Pflicht, von ihnen festgestellte Sachverhalte zur Anzeige zu bringen und ein solches Verfahren nach dem Verwaltungsstrafgesetz auszulösen, das dann von der Verwaltungsstrafbehörde, durchaus in Absehung von der Strafe, mit einer Verwarnung enden kann. Das führt in der Praxis häufig dann zu unerwünschten Auswirkungen, wenn einzelne Rechtsbereiche in sehr kasuistischer Weise Rechtspflichten vorschreiben, die auch bei Anwendung der üblichen Sorgfalt beispielsweise eines Betriebsinhabers häufig zu einer gehäuften Form kleiner Delikte führen können.

Ich nenne als Beispiel das Abfallwirtschaftsgesetz, das mit sehr ins Detail gehenden Regelungen an die Grenze dessen geht, was ein Rechtsunterworfener selbst bei durchschnittlicher Beachtung des Rechtsbestandes einhalten kann. Das heißt in der Praxis – auch mit der fortschreitenden Verbreitung von EDV-Anwendungen in der Verwaltung – zum Beispiel, dass es in der Abteilung, die das Abfallwirtschaftsgesetz im Amt der Landesregierung zu vollziehen hat, endlos lange Listen, Computerausdrucke von geringfügigen Übertretungen gibt, und zwar eher von Formalvergehen als von tatsächlichen Umweltbeeinträchtigungen.

In jedem einzelnen dieser Fälle ist der zuständige Sachbearbeiter verpflichtet, bei der Bezirkshauptmannschaft Anzeige zu erstatten. Er würde seine Dienstpflicht verletzen, wenn er das nicht tut. Das heißt in der Praxis, dass die Bezirkshauptmannschaft das aufgreifen muss. In der Regel greift sie auf § 21 Verwaltungsstrafgesetz zurück und spricht eine Verwarnung aus, weil die dort geforderten Voraussetzungen zutreffend sind.

Man kann sich aber unschwer ausmalen, welcher Verwaltungsaufwand damit verbunden ist, um eine der Schwere des Deliktes angemessene Reaktion der Behörde hervorzurufen, nämlich keine Verwaltungsstrafe, sondern eine bloße Verwarnung, indem der Betroffene auf die Rechtswidrigkeit und die Unerwünschtheit seines Verhaltens hingewiesen wird.

Die Länder haben gemeinsam bereits mehrfach den Wunsch an den Bund herangetragen, man möge die entsprechende Bestimmung in der Weise ändern, dass ein Behördenorgan die gleichen Möglichkeiten wie ein Exekutivorgan hat. Denn der erwähnte § 21 Verwaltungsstrafgesetz kennt in seinem Abs. 2 auch noch folgende Sonderbestimmung: "Unter den in Abs. 1 angeführten Voraussetzungen", also wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung geringfügig sind – "können die Organe der öffentlichen Aufsicht" – landläufig etwa die Gendarmerie oder die Polizei – "von der Verhängung einer Organstraf


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