Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 48

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verfügung oder von der Erstattung einer Abzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen."

Wir alle kennen das aus dem eigenen Erlebnisbereich, etwa im Straßenverkehr oder in anderen Situationen. Wahrscheinlich war jeder von uns schon einmal in der Situation, dass er geringfügig zu schnell gefahren ist oder sonst irgendetwas nicht beachtet hat. Dann hat das Exekutivorgan eine Palette von Möglichkeiten, die von der Anzeige bis zur Einhebung einer Organverfügung dort, wo das gesetzlich vorgesehen ist, reichen. Es liegt aber in seinem Ermessen, es ist dazu nicht verpflichtet, der Betreffende hat keinen Rechtsanspruch darauf.

Der Beamte kann es aber auch mit der bloßen Ermahnung, das heißt dem Hinweisen auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, bewenden lassen. Das ist seine eigene Entscheidung. Er handelt durchaus auf Grundlage der Rechtsordnung, wenn er von einer Anzeige unter den gegebenen Voraussetzungen absieht. Niemand kann ihm daraus einen Vorwurf machen, er handelt korrekt. Das ist auch vernünftig so, weil es in der Praxis die Verwaltungspolizei vollends lahm legen würde, wenn das einzelne Exekutivorgan in allen Kleinigkeiten gesetzlich dazu verhalten wäre. Man denke etwa nur an ein Kind, das das Fahrrad in nicht ganz straßenverkehrsordnungskonformer Weise benützt, und dergleichen mehr.

Es ist also ein durchaus vernünftiges Verhalten, wenn man sagt: Hier soll der Beamte auf der Grundlage des Rechts seinen Hausverstand walten lassen und auch eine gewisse pädagogische Funktion ausüben. Es soll auch das Exekutivorgan nicht von vornherein als bedrohlich empfunden werden, sondern durchaus als hilfreicher und beratender Begleiter durch das Leben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Möglichkeit haben die Verwaltungsorgane nicht, und das ist ein Spannungsverhältnis in der Anzeigepflicht, das man auflösen sollte. Denn es ist nicht einsichtig, warum das Exekutivorgan eine Überlegung anstellen kann: Erstatte ich jetzt Anzeige oder nicht?, wogegen der Leiter der Abfallwirtschaftsabteilung, dessen Computer zwei Seiten an Bagatelldelikten ausspuckt, diese Erwägung nicht anstellen darf. Er muss in all diesen Fällen Anzeige erstatten.

Wenn man heute sehr stark und zu Recht davon redet, dass man die Verwaltung und den Staat überhaupt von Dingen entlasten soll, bei denen Verwaltungsaufwand und Wirkung in einem nicht mehr vertretbaren Verhältnis stehen, dann wäre das auch ein wichtiger Ansatzpunkt, die Bezirkshauptmannschaft von vielen Formalstrafverfahren – denn letztlich endet das natürlich nicht in einer Verwaltungsstrafe – zu entlasten. Damit würde ein wesentlicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung und auch zur Rechtssicherheit geleistet werden.

Die Bundesländer haben das schon mehrfach releviert; auch wir schon im Rahmen von Ausschussberatungen bei Änderungen des Verwaltungsstrafgesetzes. Das Bundeskanzleramt hat bisher ablehnend Stellung genommen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man die Erwägungen, die man jetzt bei der Strafprozessordnung angestellt hat, durchaus auch in das Verwaltungsstrafgesetz einfließen lassen kann und den Wunsch der Länder nach einer Gleichstellung von Behördenorganen mit Exekutivorganen bei der Abwägung der Anzeigepflicht einfließen lässt.

Herr Bundesminister! Ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesen von den Ländern mehrfach vorgetragenen Wunsch auch in Ihre Überlegungen – unzuständigkeitshalber, ich weiß schon, es ist ein anderes Ressort dafür zuständig – einfließen lassen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.


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