Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 51

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ebenfalls seit zehn Jahren unterstützen wir nachhaltig die Bürgerinitiativen, die sich gegen Temelin gebildet haben, und 1998 haben wir einen hauptberuflichen Anti-Atombeauftragten im Land berufen. Meine Damen und Herren! Oberösterreich hat sich nicht vorzuwerfen, dass der Protest zu spät eingesetzt hätte!

Ein Höhepunkt der Bemühungen war sicherlich der Temelin-Gipfel mit der Bundesregierung am 29. August dieses Jahres. Wir haben bei diesem Gipfeltreffen eine ganz klare Aussage des Bundeskanzlers, der Frau Vizekanzlerin und des zuständigen Umweltministers erreicht, die da lautet: Österreich wird dem Energie-Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit Tschechien nicht zustimmen, wenn nicht alle Sicherheitsbedenken durch internationale Experten aus dem Weg geräumt werden. – Wir sind froh über diese Aussage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Marizzi. )

Meine Damen und Herren! Groß ist die Enttäuschung – auch das sage ich mit aller Klarheit – über das Verhalten und den Sinneswandel, der in der EU beziehungsweise in Brüssel eingetreten ist. Ich war bereits am 8. Februar mit einer Delegation, bestehend aus allen oberösterreichischen Parteien, bei Kommissar Verheugen, der für die Erweiterung zuständig ist. Verheugen hat uns damals klar gesagt: Selbstverständlich werde man den Stand der Technik auch für Temelin einfordern! – In einem Antwortschreiben, das einige Monate später gekommen ist, und in weiteren Reaktionen hat er sich dann auf die bequeme Position zurückgezogen: Energie sei ein bilaterales Thema, und Brüssel könne daher kaum etwas tun.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir dazu eine ganz klare Aussage: Ich glaube, dass es nicht sein kann, dass Brüssel zwar derzeit darangeht, die Sicherheitsvorschriften für gewöhnliche Baustellen unter den Mitgliedsländern durch eine Baustellen-Sicherheitsverordnung einheitlich zu regeln, aber bei Sicherheiten für Kernkraftwerke sagt: Das geht uns nichts an, das ist eine bilaterale Frage! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Da steht auch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union als politische Kraft auf dem Spiel. Uns ist natürlich völlig klar, dass auf Tschechien derzeit EU-Recht nicht angewendet werden kann, weil Tschechien nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist. Aber es muss klar sein, dass die EU – das wird wohl niemand bezweifeln – auch eine politische Macht hat. Die politische Macht der EU wollen wir herausfordern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es kann nicht sein, dass man sich bei einer solch existenziellen Frage für die Menschen eines Mitgliedstaates auf die bequeme Ausrede zurückzieht: Das ist bilateral, da haben wir nicht mitzureden. – Ein solcher Standpunkt kann nicht akzeptiert werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den Hauptargumenten noch ein paar kurze, wichtige Aussagen treffen. Sicherheit – gleich vorweg: Für mich gibt es kein absolut sicheres Kernkraftwerk! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Uns allen ist der Super-GAU von Tschernobyl noch in bester Erinnerung. Kernkraftwerke bedeuten immer ein Sicherheitsrisiko.

Wir wollen kein Kraftwerk. Aber wenn wir uns schon nicht wehren können, weil andere Mitglieder der Europäischen Union auch Atomkraftwerke haben, dann wollen wir schon gar nicht ein unsicheres Kraftwerk, für das es nicht einmal eine Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, an der Grenze zu unserem Bundesland. (Allgemeiner Beifall.) Denn Temelin liegt von Linz nur 70 Kilometer Luftlinie entfernt.

Der Technologie-Mix zwischen sowjetischer und westlicher Technologie ist ein zusätzliches Risiko. Sehr nachdenklich hat mich – noch einmal – die Aussage der deutschen Kernkraftexperten gemacht, dass Temelin nach deutschem Recht nicht genehmigungsfähig wäre.

Meine Damen und Herren! Was verlangen wir denn? Ist uns zuzumuten, dass ein Kraftwerk an unsere Grenze gesetzt wird, welches im benachbarten Deutschland nicht einmal genehmigungsfähig wäre? – Meine Damen und Herren! Im Hinblick darauf muss unsere Forderung wohl zu Recht gestellt werden!


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite