Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 52

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Vor drei Wochen hat bei mir ein früherer Mitarbeiter von Temelin vorgesprochen, Herr Ing. Zdenek Beck, der mich informiert hat, wie es beim Bau zugegangen ist, welche Mängel es gibt, wie unqualifiziert das Personal zum Teil ist, wie man mit Reinlichkeit und Sauberkeit sowie mit der Qualität der eingesetzten Materialien umgegangen ist und so weiter und so fort.

Hohes Haus! Ich empfinde es daher als Verhöhnung, wenn seit 3. Oktober auf der Homepage der Temelin-Betreiberfirma CEZ der Generaldirektor Folgendes sagt: "Liebe Nachbarn, Einwohner der Republik Österreich! Ich möchte Ihnen auf diesem Wege versichern, dass Temelin ein modernes und sicheres Kraftwerk ist. Tschechische und slowakische Forschungsinstitute sowie 16 internationale Fachkommissionen mit Experten aus Österreich, Deutschland, USA, Finnland, England und Russland haben übereinstimmend festgestellt, dass Temelin den internationalen Sicherheitsanforderungen entspricht." – Ende des Zitates.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Hohn! Trotz intensiven Suchens habe ich die österreichischen Experten nicht gefunden, die mitgewirkt haben. Ganz im Gegenteil: Alle von mir befragten Experten haben dies nicht bestätigt.

Zweitens – auch das möchte ich feststellen –: Internationale Sicherheitsanforderungen gibt es für Kernkraftwerke gar nicht, auch keine europäischen. Es gibt nur den so genannten Stand der Technik, und dieser ist zur Stunde derjenige, der in Westdeutschland beim Bau von Kraftwerken verwirklicht wurde.

Ein paar Anmerkungen zum Thema Wirtschaftlichkeit: Im Zuge unseres Widerstands gegen Temelin haben wir immer wieder die Unwirtschaftlichkeit betont und müssen das auch in Zukunft tun: Der Betrieb von Temelin ist ökonomisch völlig sinnlos, daher ist es umso unverständlicher, dass das Projekt von tschechischer Seite weiterverfolgt wird. Aus heutiger Sicht betragen die Kosten für die Fertigstellung und Inbetriebnahme 65 Milliarden Kronen, für den Abbruch müssten 10 Milliarden aufgebracht werden. Der sofortige Abbruch würde eine Ersparnis in der Höhe von 55 Milliarden bedeuten!

Die Betreibergesellschaft CEZ produziert schon jetzt einen Überschuss von rund einem Drittel des tschechischen Energiebedarfs. Das heißt also, dass Temelin für die Energieversorgung absolut nicht benötigt wird, auch dann nicht, wenn das AKW Dukovany abgeschaltet ist.

Wir haben in diesem Zusammenhang eine wissenschaftliche Studie über Dumpingexporte erstellen lassen und diese Kommissar Verheugen zur Verfügung gestellt. Wir haben eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage durch unser Landesunternehmen Energie AG Oberösterreich gegen CEZ vor dem zuständigen Bezirkshandelsgericht in Prag im Hinblick auf die Stromexporte auf den europäischen Markt zu Dumpingpreisen eingebracht. Darüber hinaus ist ein Antrag der Energie AG auf Einleitung einer Untersuchung im Sinne der Anti-Dumping-Verordnung an die Europäische Kommission gestellt worden. Wir haben also auf dem Sektor der Wirtschaftlichkeit in den letzten Monaten alle uns rechtlich möglichen Schritte eingeleitet.

Ein paar Anmerkungen zum Thema Nachbarschaft: Alle bisher skizzierten Bedenken Oberösterreichs und die Art und Weise, wie Tschechien mit uns umgeht, haben natürlich auch unsere Beziehungen schwer beeinträchtigt. Mit dem erhöhten Tempo bei der Aktivierung von Temelin wurde eine Politik der vollendeten Tatsachen betrieben und das nachbarschaftliche Klima vergiftet.

Die tschechische Regierung hat in den letzten Wochen die Bedenken aus Oberösterreich nicht nur nicht ernst genommen, sondern als hysterisch dargestellt. Die Art, wie uns Tschechien derzeit behandelt, meine Damen und Herren, entspricht nicht dem Stil, in dem in Europa nachbarschaftlicher Umgang gepflegt wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich sage ganz klar: Wer in das Haus Europa will, muss sich an die Hausordnung halten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Anstand im Umgang mit den Nachbarn gehört zu dieser Hausordnung!


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