Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 58

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Lassen Sie mich zwei Aspekte zu diesem Gesetz formulieren, die in einem sehr unmittelbaren Zusammenhang stehen. Herr Kollege Ager, der in anderer Form, nämlich als Gastronom, betroffen ist, hat das auch angesprochen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Zusammenhang mit Familienzusammenführung handelt es sich immer um Familien, die in jedem Fall nicht freiwillig oder selbst verschuldet getrennt voneinander leben, sondern unter Druck ihre Heimat verlassen mussten und in Österreich eine zweite Heimat gefunden haben. Das ist für uns Menschen, die wir mitten im satten ökonomischen, humanitären und sicheren Staat Österreich leben, in Wirklichkeit nicht vorstellbar. Vollziehen Sie mit mir diese Vorstellung nur einige Sekunden nach, jeder und jede für sich selbst!

Stellen Sie sich vor, wir wären jetzt veranlasst beziehungsweise durch Krieg, Verfolgung oder andere Menschenrechtsverletzungen genötigt, unsere Familien zu verlassen, unser kleines oder großes Hab und Gut zurückzulassen und in ein anderes Land zu ziehen, um uns dort eine Existenz zu sichern. – Ich kann mir das nicht vorstellen, und ich bin auch nicht in der Lage, das völlig nachzuempfinden und mitzufühlen! Aber ich denke, wenn wir über diese Menschen aus anderen Ländern in Österreich sprechen, dann sollten wir auch in der heftigsten politischen Auseinandersetzung und ganz besonders in Wahlkampfauseinandersetzungen diese Menschen immer in unsere politische Verantwortung mit einbeziehen und unsere eigene Betroffenheit im Hinblick auf den Fall bedenken, dass es uns selbst treffen könnte und wir mit dem Koffer per Flugzeug aus Österreich ausreisen müssten!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mir nähere Ausführungen sparen, weil Herr Kollege Ager es bereits formuliert hat: Wir würden uns zu Recht gegen ein Gesetz wehren – ich meine jetzt nicht die Novellierung, sondern ein grundsätzliches Gesetz –, das es einer Familie unmöglich macht, mit der 16-jährigen Tochter oder dem 17-jährigen Sohn zusammenzuleben, obwohl alle Beteiligten das wollen! Ich meine, dass der Schritt in Richtung entsprechender Ausweitung aus familienpolitischer Sicht vonnöten ist.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich ersuche Sie und denke, dass es auch mein Recht ist, an alle zu appellieren, dass wir bei der Behandlung von Gesetzesmaterien, die insbesondere den Bereich benachteiligter Menschen – das meine ich durchaus differenziert und vielfältig – und der Schwächeren in unserer Gesellschaft betreffen, einem Prinzip folgen, nämlich dem Prinzip der Humanität, und dass wir dieses Prinzip der Humanität konsequent umsetzen und diesem Priorität geben, nicht jedoch der Tendenz in Richtung geschürter Fremdenfeindlichkeit, die Österreich in Misskredit bringt! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Der zweite Aspekt betrifft eine Studie beziehungsweise Erhebung des Innenministeriums, die ich nicht dem vollen Inhalt nach, sondern nur aus den Medien kenne: Man ließ erheben, wie die Einstellung der österreichischen Beamtinnen und Beamten gegenüber Menschen aus anderen Ländern ist, und es wurde auch erhoben, wie die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher gegenüber Menschen in anderen Ländern ist. – Ich habe das Ergebnis dieser Studie nur in den Medien nachgelesen, das gestehe ich ein, dennoch möchte ich sagen, dass das, was diese Studie hervorgebracht hat, bedenklich ist. Ich bin jetzt 45 Jahre alt und kenne ein Österreich, das weltoffen ist, ich kenne ÖsterreicherInnen, die international sind, und mit diese Image von Österreich bin ich aufgewachsen.

In den vergangenen Jahren ist aber etwas geschehen in diesem Land Österreich, denn Fremdenfeindlichkeit und derartige Tendenzen gehen nicht wie genmanipulierte Saat – ich kenne mich in der Landwirtschaft nicht gut aus – von einer Sekunde zur anderen auf, sondern da muss sehr viel Boden bestellt und sehr viel nicht naturschonender Dünger ausgebracht worden sein. – Dieser Realität und dieser Tatsache müssen wir ins Auge schauen und die Verantwortung gemeinsam übernehmen! Diese geschürte Angst muss beseitigt werden! Es ist unsere Aufgabe, die in Österreich tatsächlich vorhandene Fremdenfeindlichkeit – wie sie aus dieser Studie hervorgeht und wie sie sich auch im ganz normalen Leben zeigt, wenn man durch Straßen Wiens geht, und wie man sie auch etwa in Kärnten oder Niederösterreich bemerken kann, wenn man


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite