Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 141

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die finanzielle Situation meist dramatisch ist – ich sage meist, ich schließe nicht aus, dass es in Einzelfällen durchaus auch Vätern so gehen kann –, beeinflusst. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Zahlungen für Kinder auch für Väter eine Belastung sein können. Darüber hinaus ist aber die Mutter noch immer diejenige, die beim Kind sitzt, wenn es nächtelang krank ist, und auch für andere Dinge zu sorgen hat, wobei ich gar nicht abstreiten möchte, dass auch Väter dann aus der Ferne leiden.

Ich habe im Ausschuss von den Beamten die Aussage gehört, dass dieses Gesetzeswerk aus dem Bedürfnis der Praxis entstanden ist. Ich habe mit meinen Ausführungen versucht, dem entgegenzustellen, dass ich dieses Bedürfnis nicht erkennen kann. Ich mache die Erfahrung, dass selbst Väter, die dem Problem durchaus positiv gegenüberstehen, weil sie für ihre Kinder etwas tun wollen, doch die einfache Lösung vorziehen, nämlich ein Recht zu haben, ein Recht zugesprochen zu bekommen, ein Recht automatisch zu haben, ohne sich dieses Recht erarbeiten zu müssen. Wenn man gemeinsame Obsorge leben will, dann ist das ein Prozess, den man sich erarbeiten muss. Man muss mit dem anderen Teil, der die doppelte Belastung trägt, nämlich eine über die Alimentationszahlung hinausgehende finanzielle Belastung, eine emotionale Belastung und natürlich auch eine körperliche, die durch die Betreuung entsteht, Übereinstimmung herstellen.

Wenn Paare zwanzig Jahre – ich kenne solche – nach der Scheidung noch immer auf der Straße den Kopf in eine andere Richtung drehen, wenn sie sich treffen, dann glaube ich, kann man nicht davon ausgehen, dass grundsätzlich die Reife besteht, mit dieser emotionalen Wirkung einer gescheiterten Beziehung fertig zu werden und in dieser Situation das Beste für die Kinder zu wollen.

Die Situation der Frau ist auch von anderen Dingen bestimmt, die sehr viele Sorgen mit sich bringt, die auch sehr oft aus der finanziellen Bedrängtheit bestimmt wird. Dort, wo die gemeinsame Obsorge in einem Reifeprozess gewünscht wird, erfolgt sie ohne gesetzliche Festlegung, also ist es eine automatische gesetzliche Festlegung. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn anlässlich einer Scheidung über Antrag festgelegt wird, gemeinsam die Obsorge ausüben zu wollen. Nein, so ist es nicht geregelt. Sie müssen jetzt den Antrag stellen, die Obsorge nicht gemeinsam ausüben zu wollen. Das heißt, dass ein Elternteil – in der Regel ist das der Schwächere, ist das die Mutter – zu Gericht gehen muss, um diesen Antrag zu stellen. Dann kommt es, was an und für sich in einem Gerichtsverfahren selbstverständlich sein muss, zu Beweisaufnahmen, zu einem Verfahren, zu einem Prozess, der für die Mutter wieder nicht bewältigbar ist, weil sie unter Umständen nicht weiß, wie sie vom 20. bis zum Letzten ihre finanzielle Situation bewältigen soll. Das Recht ist also dem "Normalverbraucher" – unter Anführungszeichen – überhaupt nicht so zugänglich, wie wir uns das vorstellen. Dazu kommen auch noch Belastungen, die wir gar nicht empfinden, wie beispielsweise die Frage: Brauche ich einen Rechtsbeistand? Wo bekomme ich diesen? Kann ich diesen bezahlen? (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ein Außerstreitverfahren! Da besteht keine Anwaltspflicht!)

Meine Damen und Herren! Sie wissen, Herr Professor Böhm, was ein Außerstreitverfahren ist. Bitte, sagen Sie das – jetzt spreche ich ganz bewusst eine einfache Bildungsschicht an – einer Kollegin, die am Fließband sitzt, aber sagen Sie das auch einer Sekretärin, von der man annehmen könnte, sie hätte einen besseren Zugang. Glauben Sie mir, auf Grund meiner Erfahrung kann ich dieses Bedürfnis nicht ablesen. Ich wäre glücklich darüber, wenn es die realistische Chance gebe, die gemeinsame Obsorge zum Wohle der Kinder auszuüben, denn ich glaube, dass Kinder nichts mehr brauchen als klare Linien, um für ihr Leben keine Schäden davonzutragen. Es geht nicht an, dass sie sich in einer Situation befinden, in der sie keine Leitlinien haben, in der sie keine klaren Verhältnisse haben, in der sie keine Hand haben, an der sie sich festhalten können. Ich glaube, das automatische Festlegen von Dingen, die von Partnern nicht bewältigt werden können, können sich für Kinder nicht positiv auswirken. Deshalb können ich und meine Fraktion dieser Vorlage die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer. – Bitte.


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