Bundesrat Stenographisches Protokoll 670. Sitzung / Seite 142

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

18.47

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich wende mich insbesondere an Sie, Frau Bundesrätin Kainz, weil ich meine, dass hier einiges richtig gestellt werden muss.

Sie haben gesagt, Väter sind absent. Das mag für die graue Vorzeit dieser Problematik gelten. Wir haben ein sehr ausführliches Expertenhearing gehabt, das zwei Tage gedauert hat, und bei diesem Expertenhearing haben die Praktiker darauf hingewiesen, dass sich die Väter zunehmend in die Kindererziehung einbringen. Die Väter sind also aus ihrer Sicht und auch aus meiner Sicht am richtigen Weg. Und diesen Weg sollte man nicht ... (Bundesrätin Kainz: Aber Sie wissen, andere Experten sind anderer Meinung!) – Nein, aus dem Kreis der Praktiker keine. Aus dem Kreis der Praktiker hat dem niemand widersprochen. (Bundesrätin Kainz: Ich kenne die Stellungnahme anderer Experten auch!)

Sie müssen die Realität akzeptieren, Sie selbst haben gesagt, man muss das tun. Die Praktiker sagen, dass sich die Väter – das erleben wir selbst – zunehmend einbringen, sich zunehmend an der Kindererziehung beteiligen, sich karenzieren lassen und so weiter. Wenn Sie das verneinen, dann negieren Sie eine tatsächliche Entwicklung. (Zwischenruf der Bundesrätin Kainz. )

Sie sprechen von der emotionalen Phase. Es stimmt: Es gibt keine Scheidung, ohne dass es eine emotionale Phase gibt, aber die Praktiker werden Ihnen bestätigen, dass gerade die Eltern zunehmend vernünftig sind und die Tatsache der Scheidung und die Tatsache der damit verbundenen Emotionen an den Kindern vorbeidirigieren. Das heißt, die Eltern bemühen sich zunehmend, die Kinder unter der Tatsache der Scheidung nicht leiden zu lassen.

In Deutschland hat man mehr Erfahrungen. Wir haben auch einen Experten aus Deutschland da gehabt, der darauf hingewiesen hat, dass die Obsorge beider Teile in Deutschland schon praktiziert wird. Aus einem Erfahrungspotenzial von 3 500 Scheidungen ist herausgekommen, dass dieses Modell der Obsorge beider Teile von 80 Prozent der geschiedenen Eltern angenommen wird. (Bundesrätin Kainz: Das sagt nichts daraus aus wie!) Daran kommen Sie nicht vorbei. Es gibt einfach kein besseres Modell, die Obsorge nach der Scheidung zu regeln. Das war das eindeutige Erkenntnis in dem Expertenhearing.

Sie haben gesagt, Frau Bundesrätin, wer zu Gericht geht, ist immer der Schwächere oder so ähnlich. Das stimmt nicht. (Bundesrätin Kainz: Ich habe gesagt: Die Frau ist im Regelfall die Schwächere!) – Die Frau. Gut, ich nehme die Korrektur zur Kenntnis. Ich sage Ihnen, bei Gericht ist niemand der Schwächere. Dort ist man im Recht oder im Unrecht.

Was den Kostenersatz anlangt, bin ich persönlich dafür – das sage ich Ihnen ganz offen –, dass wir später einmal zumindest einen begrenzten Kostenersatz einführen, weil ich glaube, dass derjenige, der einen richtigen Rechtsstandpunkt einnimmt, nicht noch dafür büßen soll, indem er sich den kompletten Aufwand zur Verwirklichung derselben selbst bezahlen muss.

Sie sind also mit mir einer Meinung, dass wir darüber nachdenken, dass es einen Kostenersatz gibt. Das erleichtert demjenigen, der im Recht ist, naturgemäß die Rechtsdurchsetzung.

Aber ich möchte hier nicht enden, ohne dass ich auf die sonstigen Vorteile dieser neuen Regelung eingehe. Sie wissen, dass das Volljährigkeitsalter von 19 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. Sie wissen, dass dieses Gesetz in vermehrter Weise auf den Willen der Minderjährigen Bedacht nimmt. Sie wissen, dass die mündigen Minderjährigen nunmehr erstmals eine eigene Parteienstellung haben. Sie wissen, dass die Eltern, die nicht die Obsorge haben, erhöhte Informations- und Äußerungsrechte haben, und Sie wissen auch, dass die Vermögensverwaltung vereinfacht wurde. Das sind große Fortschritte, die man auch erwähnen muss.

Ich glaube also, dass dieses Gesetz gerade und wegen seiner gesellschaftlichen Bedeutung einen großen Schritt nach vorne macht. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.51


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite