Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 132

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geraubt worden ist – soweit dies heute überhaupt noch möglich ist –, fällt eine Entscheidung von doppelter Dringlichkeit.

Die Dringlichkeit ist zum einem vom Zeitpunkt her gegeben: 56 Jahre nach dem Krieg, nach Ende des NS-Verbrechensregimes, darf es nicht mehr sein, dass die notwendige Wiederherstellung weiter hinausgezögert wird, soweit dies überhaupt noch möglich ist. Die Opfer von damals haben Anspruch auf die Wiederherstellung des Rechtsfriedens, der so lange gebrochen ist, wie die durch das Verbrechen herbeigeführte Lage anhält.

Doch nicht nur die Opfer haben ein Interesse an Gerechtigkeit und Rechtsfrieden; auch alle anderen, die sich nach dem Krieg die Aufgabe gestellt haben, eine materiell wie ethisch übergroße Hypothek abzuarbeiten, sollten alles tun, um dieses ihr Ziel auch zu erreichen und so einen Beitrag dazu zu leisten, dass mit Gerechtigkeit und dem Rechtsfrieden auch der Friede der Herzen und des Verzeihens das weitere Miteinander bestimmt.

Die Dringlichkeit, von der ich gesprochen habe, liegt aber auch in der Sache, nämlich in der Schwere der Verbrechen, die leider auch durch manche unserer Landleute begangen worden sind. Mit den offenen Fragen der Enteignungen verbinden sich Erinnerungen an noch viel schlimmeres, millionenfaches Leid, an Tod und Vernichtung, die wir ohnehin nicht aus der Welt schaffen können.

Umso mehr muss es unser Ziel sein, das wieder in Ordnung zu bringen, was unserer Zuständigkeit und Entscheidung unterliegt. Erst jetzt wurde vom Bund so manches von den Nazis geraubte Gut wieder an die Eigentümer zurückgegeben. Diesbezüglich hat vor allem auch Frau Bundesministerin Gehrer gehandelt.

Dies gilt aber auch auf Landes- oder Gemeindeebene dort, wo noch nicht alles gerichtet ist. Ich halte es beispielsweise für sehr positiv, dass die Stadt Wien dahin gehend aktiv geworden ist, dass die HAKOA-Sportanlage, die jüdische Sportanlage, wieder errichtet wird.

Es gibt Sünden, die ihre Strafen in sich bergen. Im größten Umfang gehört die Verfolgung der Juden in Österreich im Rahmen des Nationalsozialismus dazu. Im Zuge dieser Ereignisse wurde eine über lange Zeit überaus fruchtbare und harmonische Einheit brutal zerstört, die durch Jahrhunderte jüdische Mitbürger mit denen christlichen Glaubens verbunden hatte. Diese Zerstörung brachte deren Opfern Verfolgung und Tod, den Tätern aber keinen Gewinn. – Wer weiß, in welch überproportional großem Umfang im alten Österreich Juden zum wirtschaftlichen wissenschaftlichen und künstlerischen Glanz beigetragen haben, der kann ermessen, wie sehr sich die Verblendung des Hasses gegen alles Menschliche richtete. Nobelpreisträger, weltberühmte Literaten, Wissenschaftler, wertvollste Landsleute, Männer, Frauen und Kinder wurden vom Verbrechensregime der Nazis verfolgt, vertrieben und umgebracht.

Darum verbinde ich mit der heutigen Entscheidung die Hoffnung, dass diese auch als Wegweiser zum Wiedererstehen und Wiedererblühen neuer jüdischer Gemeinden in Österreich beiträgt. Aus Deutschland, wo man mit diesen Bemühungen schon einige Schritte weiter ist, gibt es Beispiele, die zu Hoffnung Anlass geben. Die Quote der aus Russland emigrierten Juden, die sich auf Dauer in Deutschland niederlässt, ist erstaunlich hoch.

Wir aber haben das eigene Haus zu richten, und dazu haben wir heute einen wichtigen Beitrag, spät, aber doch, geleistet. Dabei soll auch nochmals bedacht werden, dass sich die Parteien in dieser Frage in seltener Einmütigkeit zusammengefunden haben. Es gibt eben nicht nur die Hässlichkeit des ewig Unbelehrbaren, sondern auch die Schönheit eines gemeinsamen Gedankens und Wollens, was sich auch zum allgemeinen Wohlergehen auswirken wird.

Der neue Sprecher des US Außenamtes Richard Boucher stellte am 1. Februar fest, dass die USA sehr zufrieden sei, dass es zu diesem Abkommen gekommen und dieses am 31. Jänner im österreichischen Nationalrat umgesetzt worden ist. Bei der internationalen Holocaustkonferenz am 1. Februar wurde dieses äußerst positiv dargestellt und begrüßt. Es war eine große Leistung aller Beteiligten, dass innerhalb von dreieinhalb Monaten eine so komplexe Materie


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