Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 148

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Österreich abgehalten. Es findet also, wenn man die Sprechtage aller drei Volksanwälte zusammenzählt, fast täglich irgendwo in Österreich ein Sprechtag einer der drei Volksanwälte statt. Der unmittelbare, direkte Zugang ist für den Bürger also sehr unkompliziert und unkonventionell und vor allem kostenlos jedem Bürger jederzeit möglich.

Gerechterweise muss man sagen, dass die Wiener den leichtesten Zugang haben, weil jeder der drei Volksanwälte in Wien zumindest einmal wöchentlich einen Sprechtag durchführt. Daher haben es die Wiener natürlich leichter, und sie kommen auch häufiger als andere Bürger aus anderen Bundesländern zu uns.

Ich muss dazu sagen, dass die Zahl der Beschwerden nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Qualität der Verwaltung in einem Bundesland zulässt. Das beste Beispiel dafür ist das Bundesland Vorarlberg: Die Vorarlberger sind die beschwerdefreudigsten Bürger von ganz Österreich. Das heißt aber beileibe nicht, dass dort die Verwaltung die schlechteste und ineffizienteste ist! – Wie aus der Statistik ersichtlich ist, sind wir in Vorarlberg nur für die Bundesverwaltung zuständig, während für die Beschwerden betreffend die Landes- und Gemeindeverwaltung der Landesvolksanwalt zuständig ist. Würde man zu den Beschwerden, die pro 100 000 Einwohner gerechnet werden, noch die etwa 50 Prozent an Landesbeschwerden dazuzählen, dann wäre Vorarlberg sogar noch vor Wien führend, obwohl es so weit im Westen liegt! Daran sieht man, dass die Alemannen sehr beschwerdefreudig sind! Sie machen mit Begeisterung von der Institution Gebrauch. Wir sehen bei den Sprechtagen, dass wir dort den meisten Zulauf haben. Ich will jetzt aber weder über die Tiroler noch über die Vorarlberger Verwaltung etwas sagen. Vorarlberg und Tirol sind Nachbarbundesländer, in Tirol ist die Beschwerdefreudigkeit erstaunlicherweise aber wesentlich geringer. Ich glaube, dass das eine Mentalitätssache ist. Das hängt nicht so sehr mit der Qualität der Verwaltung dort oder da zusammen, sondern damit, dass der eine Bürger halt beschwerdefreudiger und der andere zurückhaltender ist, oft Schwellenangst hat und sich scheut, sich an eine Behörde zu wenden, und die Volksanwaltschaft wird fälschlicherweise oft auch als Behörde angesehen.

Wir sind keine Behörde, sondern wir sind ein Hilfsorgan zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates und von sieben Landtagen. Wir bieten Hilfestellung, und daher erhoffen wir uns von den Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat, zum Bundesrat und zu den Landtagen, dass sie unsere Anregungen aufgreifen, die aus unserer täglichen Erfahrung resultieren, etwa in Unterausschüssen darauf zurückgreifen und diese an die Regierung herantragen. Wir treffen nicht irgendwelche Anregungen aus heiterem Himmel, nur weil uns irgendetwas einfällt und wir das für lustig halten, sondern unsere Anregungen werden nur dann in einen Bericht aufgenommen, wenn wir den Eindruck gewinnen, dass bei korrekter Gesetzesanwendung durch die Verwaltung unbillige Härten entstehen, die im Gesetz begründet sind. Wir machen also dann legistische Anregungen an den Nationalrat, an den Bundesrat, die Landtage und natürlich, wenn nicht die Verwaltung an einer unbilligen Härte, die viele Bürger trifft, schuld ist, sondern wenn der Gesetzgeber der Verursacher dafür ist.

Daher bitten wir sehr, dass man uns dabei unterstützt und in den Ausschüssen oder etwa in Fragestunden Initiativen in diesem Sinne ergreift, dass man vor allem aber bei der Behandlung von Gesetzen und Änderung von Gesetzen auf diese Anregungen zurückgreift.

Daher wäre es für unsere Tätigkeit auch sehr wichtig, wenn eine Absichtserklärung der derzeitigen Bundesregierung verwirklicht werden könnte, dass nämlich die Volksanwälte das Initiativrecht an den Nationalrat, also die Möglichkeit bekommen sollen, Gesetzesinitiativen in den Nationalrat einzubringen. Dann könnten wir die Probleme des Bürgers im zuständigen Ausschuss des Nationalrates oder des Landtages nämlich viel direkter und unmittelbarer an die Damen und Herren Abgeordneten herantragen. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass man die Verwirklichung solcher Anliegen auf diese Weile eher erreichen kann, als wenn im Anhang zu einem mehrhundertseitigen Bericht einige Punkte aufgezählt werden, die meistens – wie ich fürchte – von vielen Damen und Herren der Legislative auch übersehen oder nicht entsprechend gewürdigt werden.


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