Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 161

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Erstens ist es deshalb ein Rückschritt, weil hier nicht der Parteikonsens gesucht wurde. Es haben zwar Parteiengespräche stattgefunden, es haben Enqueten stattgefunden, aber es wurde letztlich nicht versucht, hier einen breiten Konsens innerhalb der Parteienlandschaft sicherzustellen.

Weiters bedauern wir, dass die Expertenmeinungen nicht in entsprechendem Ausmaß berücksichtigt wurden. Unter Experten verstehe ich etwa Berufsgruppen wie jene der Pädagogen, der Psychologen oder auch der Jugendrichter.

Ich darf hier ganz kurz drei anerkannte Persönlichkeiten zitieren, die sich in dieser Frage sehr engagiert haben. Professor Fuchs etwa meint, dass die Jugendkriminalität in Österreich pädagogisch sehr richtig behandelt wurde, und er meint auch, dass das alte Gesetz in Europa vorbildhaft sei. Eine Staatsanwältin aus Linz, Frau Dr. Loderbauer, stellt zum Beispiel fest, dass die Beibehaltung des bisherigen Jugendgerichtsgesetzes voll in Ordnung wäre und das Gesetz keiner Novellierung bedürfe. Vom Jugendgerichtshof meint etwa Dr. Gerstberger – der hier auch sehr engagiert mitgearbeitet hat –, dass keine Notwendigkeit einer Änderung des bestehenden Gesetzes gegeben wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich, warum dann, wenn so gewichtige Experten diese Meinung vertreten, trotzdem mit knapper Mehrheit eine derartige Gesetzesnovelle durchgezogen wird. Die Senkung des Volljährigkeitsalters auf das 18. Lebensjahr ist insofern ein sehr positiver Aspekt, als damit gesagt wird, dass man Vertrauen zur Jugend hat, dass man die Jugend so nimmt, wie sie ist, und dass man ihr auch Vorschusslorbeeren zugesteht. Wenn aber damit gleichzeitig – und hierfür besteht kein zwingender Grund – die Anwendung des Jugendstrafrechtes und die Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes ebenso verlagert werden, so gibt es unserer Meinung nach dazu keinen Grund.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle kennen in der Öffentlichkeit den Begriff, dass "Jugendsünden" begangen werden. Auch wir haben, wie ich meine, durchaus solche begangen. Ich würde aber dann meinen, dass es absolut notwendig wäre, mit dieser Frage altersadäquat umzugehen. Ich bedauere auch, dass das große Wissen, das Erfahrungswissen der Jugendrichter keine entsprechende Berücksichtigung findet. Persönlich habe ich den Eindruck, dass hier nicht von Sachlichkeit ausgegangen wird, sondern dass man sich eher von Emotionen leiten lässt, die etwa in die Richtung gehen: Man muss einfach gewisse Straftaten auch in der Öffentlichkeit sehr deutlich sanktionieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das bedeutet für die Jugendlichen nichts anderes als eine gewisse Stigmatisierung. Das ist meiner Ansicht nach kein positiver Schritt, der gesetzt werden soll. Ich glaube auch, dass damit die Rückfalls- und Kriminalitätsquote angehoben wird. Auch das kann, so glaube ich, kein positiver Beitrag zur Entwicklung unserer Jugend sein. Ich frage mich, wie hier mehr Sicherheit für die Gesellschaft oder mehr Sicherheit für den Einzelnen gegeben sein soll.

Ausgesprochen interessant ist die Lektüre des Begutachtungsentwurfs auch dort, wo ganz konkret – man muss sich das vergegenwärtigen! – von 9 000 zusätzlichen Hafttagen gesprochen wird. Oder: Im Antrag der Koalitionsparteien ist immer noch von 3 000 zusätzlichen Hafttagen die Rede. Ich frage mich, wo hier ein Beitrag zu mehr Sicherheit erkennbar ist. Ich kann das nicht erkennen.

Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde deshalb in die andere Richtung appellieren: dass wir alles daransetzen sollten, ein besseres Umfeld für Jugendliche zu schaffen, die in Gefahr kommen, sich außerhalb des Gesetzesrahmens zu bewegen. Ich würde auch in die Richtung appellieren, dass wir uns verstärkt pädagogischen Anstrengungen unterziehen und uns für eine gute Bildung und Ausbildung unserer Jugend einsetzen, denn das ist meiner Meinung nach ein wesentlich besserer Beitrag zur Entwicklung unserer Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

20.29


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