Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 150

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Ich beziehe mich im Folgenden allein auf jene dringliche Anfrage, die sich an den Bundesminister für Justiz richtet. Nach meiner Überzeugung stößt gerade diese dringliche Anfrage weitestgehend völlig ins Leere. Im daran anknüpfenden Entschließungsantrag wird der Bundesminister für Justiz ersucht, mit den betroffenen Ländern und Gemeinden Verhandlungen aufzunehmen, um die Schließung von Gerichtsstandorten gemeinsam zu überdenken.

Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft. Sie hätte sich ja schon deshalb erübrigt, weil der Bundesminister für Justiz von sich aus Bezirksgerichte gar nicht auflassen beziehungsweise, besser gesagt, gar nicht zusammenlegen kann. Hiezu bedarf er – wie Sie alle wissen oder zumindest wissen sollten – nach geltendem Verfassungsrecht der Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen; und er führt ja längst diesen Dialog, wie er Ihnen ausführlich dargelegt hat.

Sie sprechen in der dringlichen Anfrage erneut von bloß 64 Eingangsgerichten, die der Bundesminister schaffen will. – Ja, das war in seiner ursprünglichen betriebsorganisatorischen und raumordnungsmäßigen Planung seine Maximalvorstellung. Sie wissen aber genau, dass der Bundesminister im Zuge seiner Verhandlungen inzwischen mit den meisten Bundesländern einen Minimalkonsens dahin gehend gefunden hat, im Wesentlichen für jeden politischen Bezirk ein Bezirksgericht bestehen zu lassen. Das wären immerhin 99 Gerichte, wenn Sie von 84 Bezirkshauptmannschaften und 15 Magistraten von Städten mit eigenem Statut ausgehen.

Das wäre im Hinblick auf eine ausreichende Auslastung der Richter und das heute unverzichtbare Ausmaß an Spezialisierung bereits ein klarer, deutlicher Fortschritt. Vor allem käme er der Qualität des Rechtsschutzes und der kürzeren Dauer der einzelnen Verfahren zugute.

Herrn Kollegen Marizzi – er ist leider nicht da – kann ich darin auch nicht zustimmen, wenn er es jetzt als einen Verlust an rechtlicher Lebensqualität, wenn man das überhaupt so sagen kann, ansieht, dass der Zugang zum Grundbuch nicht vorhanden wäre, dass Anwälte absiedeln.

Zum Grundbuch ist zu sagen – das Firmenbuch könnte man dazunehmen –, dass Sie jederzeit einen computermäßigen Ausdruck vom Notar bekommen, und Notare gibt es ja sehr wohl. (Bundesrat Konecny: Das kostet aber!)  – Ja, das ist aber ein verbreiteter Irrtum in der Bevölkerung, dass das bei den Gerichten kostenlos ist. Da darf ich Ihnen sagen, dass es ein Verdienst des bekannten ehemaligen Sektionschefs Oberhammer war, für die Organisation des Grundbuches in Form der ADV eingetreten zu sein, und der natürlich mit Pate stand. Ganz anders als bei den alten Grundbüchern, bei denen die Einsichtnahme selbstverständlich kostenlos war, ist der Ausdruck nun zu bezahlen. Es sind zum Beispiel heute auch Urkundenbeglaubigungen bei Notaren schon billiger als bei Gericht.

Zu den Anwälten muss ich Ihnen Folgendes sagen: Ich habe zum Beispiel zur Marktgemeinde Spitz an der Donau eine besondere persönliche Beziehung, und ich habe es damals zwar nicht aus rationalen, sondern aus, wie der Herr Bundesminister heute gesagt hat, nostalgischen Gründen sehr bedauert, als dort das Bezirksgericht aufgelassen wurde. Aber ich muss Ihnen eines sagen: Einen Rechtsanwalt hat es zu dieser Zeit dort überhaupt nicht mehr gegeben.

Es ist ja auch klar, warum dem so ist, denn bei diesen Zwergbezirksgerichten wären ja Anwaltskanzleien gar nicht ausgelastet. Und wenn es sich um eine eingeführte Kanzlei handelt – Sie wissen ja, dass mehr denn je Anwälte heute nicht nur bei Prozessen agieren, sondern auch eine wichtige beratende Tätigkeit im Vorfeld haben, Vertragsverfassung und dergleichen, Streitvermeidung, wie ich hoffe, also nicht nur das Prozessieren vor Gericht –, dann wird der Anwalt spielend die Termine in den Nachbarorten wahrnehmen können. Der Durchschnittsbürger muss viel häufiger zur Bezirkshauptmannschaft gehen, um zu seinem Recht zu gelangen, als je zu Gericht. Das sind für mich keine Argumente.

Von einer krassen und unverantwortlichen Benachteiligung des ländlichen Raumes und einer Politik der Ausdünnung beziehungsweise Gefährdung der öffentlichen Leistungen spezifisch im Bereich der Justiz beziehungsweise der Rechtspflege kann also überhaupt keine Rede sein.


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