Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 152

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Wie schaut es, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem durchschnittlichen Arbeitsanfall aus? – Wir unterscheiden bei Gericht den normalen Anfall, den die Rechtspfleger, die nichtrichterlich Bediensteten bearbeiten und erledigen können, und den so genannten Sonderanfall, den die Richter erledigen müssen. Durchschnittlich fallen bei den Bezirksgerichten 1 346 Richtersachen im Jahr an, also Sachen, die von einem Richter erledigt werden müssen. Und jetzt kommen einige Zahlen, die Sie bitte kommentieren mögen: Bei mehr als 80 Prozent der Bezirksgerichte – das sind 153 von 192 – wird dieser Durchschnitt nicht erreicht. Bei 23 Bezirksgerichten fällt pro Arbeitstag nicht einmal eine ganze Richtersache an! Wir reden dabei nur von 220 Arbeitstagen, also wir reden von Nettoarbeitstagen: Bei 23 Bezirksgerichten fällt pro Arbeitstag nicht einmal eine ganze Richtersache an. Bei 77 Bezirksgerichten fallen pro Arbeitstag weniger als zwei Richtersachen an! Ich bitte, diese Zahlen zu kommentieren.

Wie viele Urteile werden bei diesen Gerichten gemacht, die wir als zu klein empfinden? – Bei 21 Bezirksgerichten werden pro Jahr nicht einmal 20 Zivilurteile ausgefertigt, bei 85 Bezirksgerichten wird pro Woche weniger als ein Zivilurteil ausgefertigt.

Wir sind, auch was die Relation Bevölkerungszahl pro Bezirksgericht anlangt, im europäischen Schlussfeld, wie es deutlicher nicht sein könnte. Wenn wir Wien wegnehmen, dann haben wir 36 000 Einwohner pro Bezirksgericht. Das geht bis zu 4 000 Einwohnern für das Bezirksgericht Mariazell. In Deutschland, in Bayern sind es 169 000 Einwohner pro Amtsgericht, im bundesdeutschen Durchschnitt sind es 119 000.

Es gibt kein europäisches Land – Slowenien ausgenommen –, das sich mit Österreich hinsichtlich dieser Einwohnerzahl pro Bezirksgericht vergleichen könnte, und es muss einen Sinn haben, wenn die anderen Länder ihre Strukturen bereits verbessert und neu geordnet haben, Österreich hat dies aber noch nicht geschafft. Der Grund liegt darin, dass gemäß einer Verfassungsbestimmung aus dem Jahre 1920 die Landesregierungen zustimmen müssen. Diese Position ist aber sachlich nicht mehr haltbar. Wir geraten in Rückstand.

Wir sind in Österreich im Bereiche der Informationstechnologie weltweit führend, wir sind aber weltweit nahezu Schlusslicht, wenn es um die Gerichtsorganisation im Bereiche der Bezirksgerichte geht, was das Verhältnis Bevölkerungsanzahl zu Richterauslastung und Bezirksgerichtssprengel anlangt.

Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, den Dialog mit mir zu führen und auf diese Argumente einzugehen. Die Gelegenheit dazu besteht noch heute. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.27

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Würschl. Ich erteile es ihm.

18.27

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Kärntner Mandatar habe ich heute den Auftrag – Aufträge führe ich zwar nicht gerne aus, weil ich selbständig agieren will, aber heute habe ich einen Auftrag –, einen massiven Protest gegen Sie, Herr Bundesminister Strasser, gegen Ihre Politik des Kaputtsparens (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wer beauftragt Sie?), gegen das Drüberfahren über die Wünsche der Bevölkerung, die hinsichtlich der Gendarmerieposten bestehen, zu artikulieren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie, Herr Bundesminister Strasser, fahren in einer Rasenmähermethode über den Sicherheitsapparat in Österreich drüber, die einmalig ist und eindeutig das Niveau in diesem Bereich zu Lasten der Bevölkerung senken wird. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister Strasser! Ich verstehe eigentlich meinen Kollegen Marizzi – ich sage das ganz offen – nicht ganz, der eine solche Höflichkeit Ihnen gegenüber an den Tag gelegt hat. Ich darf Ihnen auch etwas sagen, was für mich einfach unverständlich ist. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist für mich unverständlich, dass Tausende Kärntnerinnen und Kärntner an Sie


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