Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 74

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Vor diesem Hintergrund – ich will das auch in dieser Härte sagen – gibt es auch Glücksritter von Katastrophen und Krisen, wie etwa jenen Autor, der mit seinem "Kampf der Kulturen" – Islam kontra Christentum – Bestseller produziert und dabei übersieht, dass der erste Einsatz der NATO außerhalb ihres eigenen Territoriums dem Schutz der vorwiegend islamischen Bevölkerung in Bosnien und im Kosovo galt. So kurz ist das Gedächtnis.

Aber es gibt auch innenpolitische Glücksritter, nämlich Trittbrettfahrer von Krisen, die internationale Krisen und Ereignisse dazu benützen, um innenpolitische Weichenstellungen zu vollziehen, Bürgerrechte auszuhöhlen und den Überwachungsstaat auszubauen; es gibt selbst ernannte Anti-Terror-Kämpfer, die jetzt von 8 Millionen Österreichern Fingerabdrücke abnehmen wollen (Ruf bei den Freiheitlichen: Ist das schlecht?); und im Windschatten dieses 11. Septembers werden auch noch Ausländergesetze verschärft.

Das ist verfassungs- und menschenrechtswidrig. Das ist auch eine Schikane der Bevölkerung, denn die Fingerabdrücke des Herrn bin Laden werden Sie nicht unter den 8 Millionen Österreichern finden. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Dazu müssten Sie ihn vorher einbürgern, aber das haben Sie jetzt gerade mit der Verschärfung der Ausländergesetze verhindert. Das ist absurd, und innerhalb einer solchen Politik zeigt sich dann auch revanchistische Politik.

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse kam es zur Bildung des Nationalen Sicherheitsrates. Einmal ist die Regierung in dieser Frage nicht über die Opposition drübergefahren, und alle Seiten – das will ich hier wirklich betonen – waren um einen Konsens bemüht. Ein positives Produkt dieses Konsenses ist, dass man Außenpolitik auch künftig noch als Außenpolitik sehen wird und dass der Rat für Außenpolitik nicht nur auf die Frage der nationalen Sicherheit ausgerichtet sein wird, sondern ein eigenständiger Rat für Außenpolitik bleiben wird.

Mit dem heutigen Beschluss – es wird ein einstimmiger Beschluss werden –, wird der Nationale Sicherheitsrat Realität, aber er bleibt vorerst noch eine Institution, der man erst politisches Leben einhauchen wird müssen. Das wären zum Beispiel Initiativen aus Österreich gegen Biowaffen – wir haben jetzt die große Debatte über Anthrax-Bakterien. Derartige Initiativen wären wesentlich wichtiger, meine Damen und Herren, als über den Ankauf von Abfangjägern zu diskutieren, auf die man getrost verzichten kann.

Es ist auch bedauerlich, dass es anlässlich der Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates im Vorfeld wieder einmal das übliche operettenhafte Gezänk am Ballhausplatz über die Frage gab, wer darüber den Vorsitz führen dürfe und wer nicht.

Ich möchte ausdrücklich festhalten: Österreich war in den letzten Wochen kein einziges Mal bedroht oder in der Nähe eines Gefahrenfeldes. Deshalb sind Debatten darüber, 8 Millionen Österreichern Fingerprints abzunehmen, völlig überzogen. Ich bedauere auch die politische Niederlage des Innenministers im Windschatten dieser Gesetze.

Daher muss auch das vorrangige Ziel die Verwirklichung des zentralen Friedensprojektes in Europa sein, und das ist die EU-Erweiterung in Richtung Norden, Osten und Süden.

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum Nizza-Vertrag, einem weiteren Tagesordnungspunkt.

In einer Bundesratsenquete, veranstaltet unter Präsident Klamt, wurden bereits sehr kritische Worte über das Vertragswerk von Nizza gesprochen. Da wir eine sehr ausführliche Debatte haben, möchte ich gar nicht mehr lange auf diesen Nizza-Vertrag eingehen. Es war ein Basar – wir alle wissen das –, wo Stimmen gegen andere Rechte getauscht wurden; es war noch einmal eine ganz schlechte Reichsfürstenversammlung. Nicht von oben kann man Demokratie in Europa geben, sondern Demokratie kann nur aus der Bevölkerung selbst kommen. Und so schlecht, wie diese Verhandlungen dort gelaufen sind, so schlecht ist das Vertragswerk in seiner Ausformung. Das ist nicht der richtige Weg der Demokratisierung, und dafür gibt es auch keine Akzeptanz.


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