Bundesrat Stenographisches Protokoll 686. Sitzung / Seite 179

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich darf Sie jetzt daran erinnern, wie Ihre eigenen Positionen dazu aussehen. – Ich will nicht allzu weit in der Geschichte zurückgehen; wie wir alle wissen, waren das andere Zeiten. Jedenfalls war aber der damalige Vizekanzler Schärf, als der Staatsvertrag von Moskau nur unter der Voraussetzung zugebilligt wurde, dass Österreich die immerwährende Neutralität annimmt, ein ganz entschiedener Gegner dieser Lösung, und er war nur mit Mühe auf Neutralitätskurs zu bringen. (Bundesrat Konecny: Er hat sich aber von Bruno Kreisky überzeugen lassen!) Zugegebenermaßen liegt das lange zurück und war aus der damaligen Situation sicherlich nachvollziehbar. – Das ist historisch erwiesen.

Auf der anderen Seite ist es überraschend, wenn Sie meinen, damit sei das ein für alle Mal sakrosankt geworden. Mir selbst werden Sie diesbezüglich keinen Positionswechsel vorwerfen können. (Bundesrat Konecny: Davon habe ich nicht geredet!) Ich erinnere nur daran, und zwar auch im Rahmen meiner Fraktion, dass ich von diesem Pult aus schon in der Oppositionsrolle darauf aufmerksam gemacht habe, dass es nicht die FPÖ war, die bei parlamentarischen Akten mitgestimmt hat, die nach meiner Überzeugung dazu geführt haben, die Neutralität auszuhöhlen beziehungsweise sie obsolet zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Sie wissen, dass es meine persönliche Rechtsmeinung war, und das ist jetzt gar nicht als politisches Credo zu verstehen, sondern es ist meine verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Überzeugung, dass Österreich bereits sehr viele internationale Schritte gesetzt hat, die mit der klassischen Neutralität in keiner Weise vereinbar sind. – Ich verstehe daher nicht, wenn sich Ihre Fraktion – und wie ich annehme, gilt das auch für den Vertreter der Grünen – geradezu als Gralshüter der Neutralität aufspielt! Wenn dem so ist, dann müssen Sie konsequenterweise aber auch wahrnehmen, dass der Luftraum zu sichern ist. Das gehört zu einer bewaffneten Neutralität, sonst ist sie international und völkerrechtlich nicht mehr ernst zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.) Wenn also der Vorwurf gekommen ist, dass jemand inkonsequente, inkonsistente und nicht kontinuierliche Positionen einnimmt, dann muss ich das auch Ihrer Fraktion vorwerfen.

Nun komme ich zu einem anderen Punkt: Ich kann es nicht unwidersprochen lassen, wenn Sie meinen, die Regierungsparteien fürchteten eine Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof. Ich möchte aber auch diesbezüglich gar nicht hoch politisch beginnen, sondern nur auf die langwierige verfassungsdogmatische und grundrechtliche Diskussion in Österreich verweisen, die offenbar spurlos an Ihnen und auch an den Betreibern des Volksbegehrens vorbeigegangen ist.

Wie Sie wissen, gibt es eine bis heute nicht aufgelöste Kommission, welche die Grundrechte erneuern sollte. Leider – ich bedaure das sehr – ist sie sanft entschlafen. Sie wurde eines Tages nicht mehr einberufen, wenn sie auch formell nie aufgelöst wurde. Sie hat jahrzehntelang getagt, ungefähr nach dem Motto: Es kreißten die Berge und gebaren ein Mäuslein beziehungsweise nicht einmal das.

Man konnte sich nämlich auf ein einziges Verfassungsgesetz über die Wahrung der persönlichen Freiheit einigen. Das ist das einzig Erfreuliche, allerdings war das das einzige Produkt, das zu Stande kam. Letztlich ist das Ganze an der Diskussion um die so genannten sozialen Grundrechte gescheitert. Man dachte, man könne sich bei einer Modernisierung nicht nur auf die klassischen Kategorien beschränken, wie sie im Jahre 1868 vorfindlich waren. Hiebei handelte es sich im Wesentlichen um Freiheitsrechte und in Ansätzen um politischen Rechte. Soziale Grundrechte waren damals kein Thema.

In der Zwischenzeit waren diese jedoch ein politisches Thema geworden. Dazu muss man sagen – und das kann man nicht ideologisch festmachen –: Natürlich wird jeder Staatsrechtler auch eine politische Position haben, das ist nicht zu bezweifeln. Bei manchen war das auch ganz evident, trotzdem handelte es sich hiebei um ein fachbezogenes Gremium. Die Staatsrechtler waren durch die Bank der Meinung, dass man soziale Grundrechte deshalb nicht in die Verfassung schreiben könne, weil sie letztlich nicht einklagbar wären, zumindest nicht so, wie das klassische Juristen verstehen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite