Bundesrat Stenographisches Protokoll 687. Sitzung / Seite 65

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Vorbildlich erscheint mir die Dokumentation der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die seit 1. Jänner 1990 im Rahmen des Rechtsinformationssystems des Bundes – RIS – im Volltext und unentgeltlich abrufbar ist.

Lassen Sie mich nun noch kurz zu den Tätigkeitsberichten des Verfassungsgerichtshofs kommen: 1999 wurden 2 535 neue Fälle an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. 2 760 Fälle aus früheren Jahren und aus dem Berichtsjahr konnten erledigt werden. Ende 1999 waren insgesamt 1 742 Fälle – das sind um 225 weniger als 1998 – offen. Im Jahr 2000 waren es 2 789 neue Fälle. Dem standen 2 902 Erledigungen gegenüber. Offen blieben somit 1 629 Fälle. Anzuerkennen ist dessen ungeachtet, dass es dem Verfassungsgerichtshof gelungen ist, die durchschnittliche Verfahrensdauer wenigstens auf dem Niveau der Vorjahre zu halten.

Die rechtspolitische Anforderung des Verfassungsgerichtshofs an den Personalstand, eine Ausstattung der Referate mit je drei rechtskundigen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen zu erlangen, ist berechtigt. Dies entspräche den personellen Ressourcen eines Richters des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das in seinen beiden Senaten jährlich nicht annähernd so viele Fälle entscheidet wie der österreichische Verfassungsgerichtshof in seiner Plenarbesetzung.

Über das Frauenförderungsprogramm ist von meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Trunk, schon berichtet worden.

In beiden Tätigkeitsberichten wird erneut – wie schon mehrmals seit 1996 – auf die nach wie vor ungeregelte Problematik im Zusammenhang mit den so genannten Massenverfahren hingewiesen. Zweifellos handelt es sich dabei um eine erhebliche potenzielle Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichtshofs.

Im Zuge seiner Wahrnehmungen übt der Gerichtshof berechtigte Kritik auch daran, dass trotz seiner Aufforderung Verwaltungsakten von den Behörden vielfach nicht vollständig oder überhaupt nicht vorgelegt werden. Zudem fällt auf, dass belangte Behörden zunehmend von der Möglichkeit, Gegenschriften zu erstatten, absehen. Erachten dies die Behörden etwa nur als ein Recht und nicht auch als eine gewisse Pflicht?

Lassen Sie mich zuletzt aber auch noch einen kritischen Punkt berühren: Anders als der Verwaltungsgerichtshof plädiert meines Erachtens der Verfassungsgerichtshof nicht mit ausreichendem Nachdruck für wirklich radikale Reformen zu seiner angemessenen Entlastung. Der berechtigte Wunsch, dass jedes Referat mit drei wissenschaftlichen Mitarbeitern ausgestattet werden solle, reicht dafür nicht aus. Daran ändert auch der vergleichende Hinweis nichts, dass 16 deutschen Verfassungsrichtern derzeit 59 ständige wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Ebenso wenig genügt meines Erachtens aber auch die an sich berechtigte verfassungspolitische Forderung, dass in jenen Bereichen, in denen nach Artikel 133 Z 4 B-VG eingerichtete Kommissionen in letzter Instanz entscheiden, die Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren dem Verwaltungsgerichtshof und nicht mehr dem Verfassungsgerichtshof zukommen soll.

Was wir daher mindestens zusätzlich überlegen sollten, wenn wir uns nach grundlegenden rechtspolitischen Reformen fragen, wäre vor allem, sich einmal in aller Ruhe diese Fragen vorzulegen: Sollen wir zum Modell der Vollrichter und kontinuierlicher Sessionen des Verfassungsgerichtshofs übergehen? Sollen wir zur Entscheidung auch in Senaten übergehen? Und sollen wir – ich persönlich würde nach dem Vorbild des deutschen Bundesverfassungsgerichts dafür plädieren – doch auch das Minderheitsvotum einführen?

Alles in allem muss man aber beiden Gerichtshöfen bescheinigen, dass sie in Anbetracht ihrer Arbeitssituation und ihrer Rahmenbedingungen immer noch hervorragende Arbeit leisten. Meine Fraktion wird daher die Tätigkeitsberichte gerne zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

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