Bundesrat Stenographisches Protokoll 689. Sitzung / Seite 46

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noch ein Wert an sich ist, sondern dass wir längst zu einer Mischung zwischen einem Berufsheer und einem Milizheer übergehen könnten. Die Wehrpflicht in der Form halte ich für einen Anachronismus. (Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann sowie des Bundesrates Todt. ) Das wäre für mich nämlich auch die Reform von unten gewesen. Die Reform oben, an den Spitzen, unterschreibe ich, das war ein richtiger Zug. Aber es ginge meiner Meinung nach auch darum, heute eine gänzliche andere Sicht von Wehrpflicht zu erreichen.

Doch dieses Reformwerk haben Sie sich in einer überfallsartigen Aktion irgendwie selbst gekillt, Herr Minister, indem Sie das Militär-Reorganisationsbegleitgesetz zu einer Art Tarngesetz gemacht haben. Ein Tarngesetz ist es deswegen, weil Sie bei Nacht und Nebel – und Sie wissen, in welchen kurzen Abständen diese Vorstöße im Nationalrat erfolgt sind – ein militärisches Spitzelwesen eingeführt haben. Das ist etwas, was der Verfassungsdienst in Bezug auf den zivilen Bereich, nämlich beim Sicherheitspolizeigesetz, abgelehnt hat.

Ich nehme das Wort "Spitzelwesen" nicht in den Mund, weil das mein Ausdruck wäre, sondern das ist der Ausdruck des Verfassungsdienstes für das Begehren, solche Personen in einem Gesetz im zivilen Bereich zu implementieren. Derzeit gibt es nun auch hier ein Spitzelwesen: Leute, die mit gefälschten Urkunden, gefälschten Identitäten ermitteln und Menschen, die Kritiker der Landesverteidigung im eigenen Land sind, unliebsame Personen, vorzeitig ausforschen. Meine Damen und Herren! Das ist Demokratie-unverträglich! (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist vom Gesetz her aber nicht gedeckt, was Sie sagen!) – Wir kommen gleich dazu.

Militärische Organe ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Wo steht das, Herr Kollege? Im Landwirtschaftsministerium?) Wir haben eine ganze Reihe von Bestimmungen, wie die Einschränkung oder den Zugriff auf Telekommunikationsbetreiber. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Herr Kollege! Das Telefonbuch ist eine alte Einrichtung, diese sollte das Bundesheer an sich kennen. Die Telekom-Betreiber jammern derzeit schon über einen Missbrauch von Nachfragen bei kleinen und kleinsten Dinge. So, wie es im Gesetz geregelt ist und wie die heutige Praxis gegenüber den Telekommunikationsbetreibern ausschaut, ist das nicht gedacht. Und so, wie es nun hier vorgesehen ist, dass die militärischen Organe und Dienststellen von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste jene Auskünfte über Namen, Anschriften, Teilnehmer, Nummern und so weiter bekommen können – dafür, meine Damen und Herren, kann ich auch das Telefonbuch benützen!

Ich höre heute schon die Telekommunikationsbetreiber, die sagen werden: Genau in diesem Bereich, in diesen Punkten wird die Grenze weiter verschoben, weiter verschoben in Richtung Abbau von bürgerlichen Grundrechten, Abbau von Intimsphäre, Abbau jenes Bereiches, den wir in der Grundverfassung unseres Landes als einen geschützten Bereich sehen.

Herr Minister! Wofür benötigen Personen im Inland falsche Dokumente, falsche Urkunden, falsche Identitäten? Etwa zur Observierung von unliebsamen, aber für die Demokratie wichtigen NGOs, von Vereinen und Organisationen hier in unserem Land? (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)  – Ich kann mir ein solches Gesetz ... (Bundesrat Dr. Böhm: Wo steht das? – Bundesrat Mag. Gudenus: Wo steht das drin? ... ausdrücken!)

Wir können diese Urkunden ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Nennen Sie die Seite und den Paragraphen!) Bitte, gerne: Die Organe und Dienststellen dürfen zum Zwecke der verdeckten Ermittlung, zweitens der Vorbereitung und Unterstützung der Durchführung von Observationen und verdeckten Ermittlungen mit falschen Urkunden die Identität einer Person vortäuschen und die Identität verschleiern. (Bundesrat Dr. Böhm: Die Ziele! Die Ziele müssen Sie nennen! Die Schutzziele!)

Meine Damen und Herren! Das beschließen Sie hier heute mit. – Ich freue mich jedenfalls über jede einzelne ablehnende Stimme, die sich heute diesem Verschieben von Grenzen der Einschränkung sowohl bürgerlicher Freiheiten als auch der inneren demokratischen Verfassung widersetzt. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Reisenberger: Anständige Systeme haben das nicht notwendig! Bundesrat Dr. Nittmann: Das wäre genau so, wie wenn Sie sagen, ein anständiges System hat eine Polizei nicht nötig! Bundesrat Mag. Gudenus  – in Richtung


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