Bundesrat Stenographisches Protokoll 690. Sitzung / Seite 59

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Hinsichtlich unserer eigenen Ausschussberichte rege ich in diesem Zusammenhang an, sie so zu gestalten – das richtet sich natürlich auch an die Bundesratsdirektion und nicht nur an den jeweiligen Berichterstatter –, dass Verfassungsänderungen erwähnt und auch kurz beschrieben werden – dies insbesondere dann, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, noch dazu in Länderzuständigkeiten eingreifen. (Beifall der Bundesrätin Giesinger. ) Es mutet etwas merkwürdig an, wenn ausgerechnet in der Länderkammer für die Länder relevante Bestimmungen nicht näher erläutert werden.

Mit den in die vorliegenden Gesetzesbeschlüsse eingefügten Verfassungsbestimmungen wird eine für die mittelbare Bundesverwaltung wichtige Regel der Bundesverfassung unterlaufen und unwirksam gemacht: Die Zustimmung der Länder muss nicht mehr eingeholt werden. Es ist das erste Mal, dass der Bund ohne Befassung der Länder – also konsenslos – zu einem solchen verfassungsrechtlich äußerst fragwürdigen Kunstgriff Zuflucht nimmt. Damit wird eine Tür aufgestoßen, durch die bereits in dieser Sitzung fünf weitere gleichartige Verfassungsbestimmungen "marschieren" wollen. Es handelt sich um die im Paket der GWG-Novelle enthaltene Änderung des Bundesgesetzes über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich, das Ökostrom-Gesetz und die Änderung des ElWOG sowie um die im Bundessozialämterreformgesetz enthaltene Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes.

Die Verfassungsbestimmungen, die das Wirtschaftsministerium betreffen, gehen ebenfalls auf den Wirtschaftsausschuss des Nationalrates zurück. Beim Bundessozialämterreformgesetz waren die beiden Bestimmungen zwar noch nicht im Begutachtungsentwurf, wohl aber bereits in der Regierungsvorlage enthalten. Dort wurden die Motive dafür auch ganz offen dargelegt – ich darf kurz zitieren –:

"Aus Gründen der Zweckmäßigkeit soll anstelle der Einholung der Zustimmung jedes einzelnen Landes die Übertragung der zweitinstanzlichen Vollziehung in die Bundeskompetenz durch Verfassungsbestimmungen erfolgen. Hiefür ist eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG erforderlich. Diese Verfassungsbestimmungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, womit sichergestellt ist, dass die Interessen der Länder entsprechend gewahrt sind." – Ende des Zitats.

Für den Bundesrat ist diese Auffassung zunächst insoweit interessant, als damit seitens der Bundesregierung von der früher vertretenen Auffassung abgerückt wird, das Zustimmungsrecht des Bundesrates nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG beziehe sich lediglich auf Änderungen der Kompetenzartikel – also im Wesentlichen 10 bis 15 – der Bundesverfassung. Alles andere wurde früher als nicht dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegend angesehen – etwas, was die Länder natürlich nachdrücklich abgelehnt haben, aber es ist erfreulich, dass der Bund in diesem Fall jetzt selbst erstmals davon ausgeht, dass das Zustimmungsrecht umfassender ist.

Natürlich kann man das die mittelbare Bundesverwaltung schützende Zustimmungsrecht der Länder als hinderlich ansehen und zur Diskussion stellen, ob die Interessen der Länder nicht ohnedies durch den Bundesrat gewahrt seien, genauso wie umgekehrt aus Sicht der Länder diskussionswürdig ist, welchen Wert Zustimmungen des Bundesrates für sie haben, wenn die Zustimmungsrechte faktisch in der Hand der Nationalratsfraktionen liegen und daher überhaupt noch nie wahrgenommen wurden. Dass die Interessen der Länder auf diese Weise gewahrt seien, ist daher eine zwar sehr schmeichelhafte, aber leider nicht ganz zutreffende Behauptung.

Gegen solche Grundsatzdiskussionen stellt sich Vorarlberg auch keineswegs, wohl aber gegen anlassbezogene Eingriffe in die Bundesverfassung, die ohne Grundsatzdiskussion und sogar ohne Begutachtungsverfahren vorgenommen werden.

Unter Hinweis auf die ausdrücklich ablehnende Haltung des Landes kann ich daher den erwähnten fünf Verfassungsbestimmungen keine Zustimmung geben. Ich melde dies auch gleich für das erst später zu behandelnde Bundessozialämterreformgesetz an.


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