Bundesrat Stenographisches Protokoll 691. Sitzung / Seite 17

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riskiert er deswegen nicht die Gesprächsbasis mit anderen Regierungen. Das ist ernster, als ich es mir eigentlich vorgestellt habe.

Wenn ein Mann dieses Formats, dieser Stellung, von einer Firma dieser Größenordnung das ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Nein, "Die Presse", Herr Kollege! Das sollten Sie doch wenigstens lesen: ein ordentliches konservatives Leitblatt! Sie können sich mit der "Kronen Zeitung" nicht zufrieden geben!

Herr Kollege, Sie sollten wenigstens die Schlagzeilen lesen! Ich weiß schon, es gibt Zeitungen, bei denen die größte intellektuelle Anstrengung das Umblättern ist, weil man die rechte obere Ecke finden muss, aber Sie sollten sich damit nicht zufrieden geben. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn also eine Weltfirma, die ein Standing zu verlieren hat, einen solchen Vorwurf erhebt, dann wäre es wohl angebracht, dass dieses Land diese Beschuldigung ernst nimmt. Dass diese Beschuldigung im Raum gestanden ist, habe ich aus Diskussionen gehört, die nicht in diesem Haus, sondern in einer wichtigen steirischen Stadt geführt wurden zwischen Ihnen. Also: Hier ist ein Skandalsumpf – nicht durch das Hochwasser entstanden, aber auch nicht nachher trockengelegt worden –, der dieses Land noch lange beschäftigen wird.

Lassen Sie mich ein Drittes sagen, weil es, wie gesagt, die einzige Gelegenheit dieser Kammer des österreichischen Parlaments ist, sich mit der abgehenden Bundesregierung auseinander zu setzen.

Da hat sich vor zweieinhalb Jahren unter sehr merkwürdigen Umständen eine Regierung gebildet (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso?)  – ich erläutere Ihnen das, Herr Kollege, aber Sie wissen es ohnehin –, die im Wesentlichen vom Vertrauen auf das Vergessen geprägt war. Es war dies eine Regierung unter einem Bundeskanzler von Ihren Gnaden, meine Damen und Herren von der FPÖ – weil Sie waren zweitstärkste Partei –, ein Bundeskanzler, der in die letzte Phase des Wahlkampfes gezogen ist mit der Ansage, wenn seine Partei Dritter wird, geht sie in die Opposition. (Bundesrat Würschl: Lügenkanzler!) Dieses Wahlziel wurde also erreicht: Die ÖVP ist Dritter geworden, aber in Opposition war Herr Schüssel offensichtlich nicht, sondern er war Bundeskanzler. (Zwischenrufe des Bundesrates Schöls. )

Dann hat diese Regierung erklärt, sie werde neu regieren, und der besagte Bundeskanzler hat insbesondere auf die enorme rote Verschwendungswirtschaft der Jahre davor hingewiesen. – Ich habe mir immer gedacht: Diesen Herrn kenne ich doch von vorher auch schon! War der in der Regierung nicht Wirtschaftsminister und Außenminister und Vizekanzler? – Aber offensichtlich, wie das eben in einer Regierung so ist: Die Schecks, die zu unterschreiben waren, haben sie immer an Herrn Schüssel vorbeigeschwindelt. Er hat keine Ahnung gehabt, wo das Geld hingekommen ist und dass da Schulden gemacht wurden! (Bundesrat Gasteiger: Nein, nein, hat er nicht!)  – Sehr eindrucksvoll.

Er hat eine Regierung gebildet, von der wir damals in einem Slogan verkürzt schon sagten: Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen. – Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, dann ist es evident geworden.

Jetzt sagt der Herr, er verkörpere die Stabilität in dem Land. – Da bildet man also eine Regierung, die ganz offensichtlich den Keim des Zerfalls in sich trägt, dann gibt es einen Punkt, an dem sogar der Herr Bundeskanzler – er hat sich das sowieso 36 oder 48 Stunden überlegt – zugeben muss: Es geht nicht mehr!, und dann tritt er vor die Österreicherinnen und Österreicher hin mit der bestechenden Logik: Weil diese Regierung zusammengebrochen ist, verkörpere er die Stabilität, die offensichtlich irgendwo im Abgrund verschwunden ist.

Ich bin sehr gespannt, welche weiteren Vergessensübungen der Herr Bundeskanzler den Österreicherinnen und Österreichern noch zumuten wird. Ich will darüber nicht spekulieren – ich warte auf die nächste Pressekonferenz; das reicht –, aber man soll sich an den alten Satz halten, dass man eben nicht alle Menschen für immer an der Nase herumführen kann; alle für


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