Bundesrat Stenographisches Protokoll 693. Sitzung / Seite 10

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Was sonst noch in den „Salzburger Nachrichten“ vor 47 Jahren über die Landeshauptleute­konferenz und den Bundesrat geschrieben wurde, ist ebenfalls von Aktualität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat ist, wie es auch in den Broschüren des Parlaments heißt, die Länderkammer der Republik. Seit 1920 ist es das unablässige Bestreben, diese Verfassungstheorie mit der politischen Realität in Einklang zu bringen – eine unendliche Geschichte, eine Sisyphusaufgabe, der wir uns aber dennoch immer wieder neu stellen müssen. – Der Bundesrat hat Fortschritte erzielt, insbesondere auch dank Professor Scham­beck, und er wird weitere Fortschritte erzielen, und er wird diese auch erzielen müssen. Ich habe übrigens, frei nach Camus, ein sehr positives Bild des Sisyphus und auch die interessante Interpretation von Imre Kertezs in diesem Zusammenhang im Kopfe, nämlich dass man damit etwas bewegen kann.

Ich glaube, wir stehen im Zusammenhang mit dem Bundesrat, aber vor allem mit dem Bundes­staat insgesamt an einer wichtigen Wegkreuzung der politischen Entwicklung unserer Republik am beginnenden 21. Jahrhundert. Auch ich selbst habe dazu einige Diskussionsbeiträge ge­liefert, beginnend mit meiner ersten Wortmeldung hier in diesem Hohen Hause bis hin zu meinem auch hier im Bundesrat im vorigen Frühjahr – ich glaube, es war der 3. Mai – geäußerten Vorschlag für einen Österreich-Konvent: Die Zeit ist reif für Reformen!

Ich habe gerade jetzt, weil wir eben in dieser entscheidenden Phase der Diskussionen um die Staats­reformen stehen, als Präsident des Bundesrates mit allen Landeshauptleuten und Landtagspräsidenten, den Präsidenten des Städtebundes und des Gemeindebundes Termine ver­einbart und zu einem gut Teil auch schon absolvieren können, um mit ihnen gemeinsame Vor­gangsweisen, vor allem auch im Zusammenhang mit einem möglichen Österreich-Konvent, zu besprechen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich Präsident Khol mit seinem ganzen poli­tischen Gewicht des Konvents angenommen hat und es nunmehr breiten Konsens darüber gibt, dass es in diesem Österreich-Konvent in den nächsten zwei Jahren darum gehen soll, einen Masterplan – wie ich es nennen würde – für den österreichischen Staatsaufbau des 21. Jahrhunderts zu entwickeln.

Da ich ihn anwesend sehe und hier keine Vaterschaftsstreitigkeiten oder sonst etwas ausge­tragen werden sollen, möchte ich sagen: Ich habe das erste Mal von dieser Idee und vom Österreich-Konvent bei Alfred Payrleitner gelesen, den ich hiemit sehr herzlich begrüße. (Beifall bei der ÖVP.)

Alle Gruppen sollen dieses gemeinsame große Ziel erreichen – nicht gegeneinander in Frontstellungen, sondern miteinander an einem Tisch sitzend und nach Lösungen ringend. Daher haben Präsident Khol und ich in unserer persönlichen Initiative einen 80-köpfigen Kon­vent vorgeschlagen. Viele haben gefragt: Warum sollen das 80 sein? Warum sollen das so viele sein? – Ich sage: Deswegen, damit möglichst alle betroffenen Institutionen von Anfang an mitwir­ken können. Kleine Fachkommissionen, die wertvolle Vorarbeiten geleistet haben, hat es schon genug gegeben. Jetzt geht es darum, dass die Verantwortlichen diese beraten und auch um­setzen – natürlich mit einem Präsidium, Arbeitsgruppen, Modulen, präzisen Fristen und Arbeits­aufträgen.

Ich setze dabei auch auf die positive Eigendynamik, wie sie uns das Beispiel des Europäischen Konvents zeigt. Wir streben auch eine Verschränkung mit dem Europäischen Konvent, vor allem mit den österreichischen Mitgliedern des Europäischen Konvents an. Es ist auch die Civil Society, die Bürgergesellschaft, eingeladen, an diesem großen Projekt mitzuwirken – in vielen neuen Mitwirkungsformen, möglicherweise mit begleitenden Ausschüssen und Arbeitskreisen in den Ländern, möglicherweise mit Diskussionen und politischem Unterricht in den Schulen, in Seminaren an den Universitäten, vornehmlich jenen der Rechtslehre und der Politikwissen­schaft, aber natürlich auch in Internetforen. Es soll eine breite Österreich-Bewegung sein.

Einige wenige Klarstellungen: Wichtig ist, dass die Diskussion über Bundesrat, Landtag, Bundes­staat, Demokratie, Verwaltungs- und Verfassungsreform, also die Staatsreform, nicht als ein intellektuelles Glasperlenspiel oder als ein L’art pour l’art einer abgehobenen politischen


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