BundesratStenographisches Protokoll700. Sitzung / Seite 27

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Sicherlich haben diese gewaltigen Veränderungen entsprechende Folgen für die Union, aber auch für jeden der derzeit 15 Mitgliedstaaten. Die Europäische Union hat sich auf diesen Schritt gut vorbereitet. Der Vertrag von Nizza sollte das Funktionieren einer Union der 25, 28 oder mehr Mitgliedstaaten im Wesentlichen sicherstellen.

Der Europäische Rat von Laeken hat in einer Erklärung zur Zukunft der Europäischen Union die Schaffung einer Verfassung für die europäischen Bürger im Interesse größe­er Demokratie, Transparenz und Effizienz gefordert. Der daraufhin eingesetzte Kon­vent zur Zukunft Europas hat am 10. Juli dieses Jahres, also vor nicht einmal 14 Ta­gen, seine Arbeiten abgeschlossen und den Entwurf für einen Verfassungsvertrag vorgelegt, der in einer Regierungskonferenz in den nächsten Monaten beschlossen werden soll. Damit wird es eine europäische Verfassung geben, die für etwa 455 Mil­lionen Bürger Gültigkeit haben wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, gerade im Rahmen dieses für Österreich und die Europäische Union so wichtigen Verhandlungspunktes einen kurzen Bericht über die Arbeit des Konvents zu geben, dem ich als einziger Bundesrat angehörte.

Der Konvent setzte sich aus 105 Mitgliedern und 105 Stellvertretern aus den 15 Mit­gliedstaaten, den zehn neuen Mitgliedern und den drei Beitrittskandidaten zusammen. Es waren Regierungsvertreter, Vertreter der nationalen Parlamente, Vertreter des Eu­ro­päischen Parlaments, der Kommission und als Beobachter Vertreter des Ausschus­ses der Regionen und des WSA, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, tätig.

Die Arbeit des Konvents hat sich über 17 Monate erstreckt. Es fanden insgesamt 26 Plenartagungen mit über 1 800 Wortmeldungen an insgesamt 52 Sitzungstagen statt. Der Konvent hat darüber hinaus 11 Arbeitsgruppen und drei Arbeitskreise eingesetzt, deren Ergebnisse dem Plenum übermittelt wurden und großteils Eingang in diese Verfassung fanden.

Die Konventsmitglieder haben 386 schriftliche Beiträge dem Konvent in seiner Ge­samtheit und 773 Beiträge den Arbeitsgruppen vorgelegt. Weiters gab es über 6 000 Änderungsvorschläge zu bestimmten Kapiteln oder zu einzelnen Punkten.

Es sei mir mit Einverständnis des Herrn Präsidenten erlaubt, speziell für den Bundesrat und die Länder mir wichtig erscheinende Eckpunkte dieser neuen Verfassung heraus­zugreifen. Ich werde es kurz machen, aber es ist trotzdem, glaube ich, wichtig.

Punkt 1: Vereinfachung und bessere Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Mitgliedstaaten und der Union; wobei ich gerade hier im Bundesrat besonders auf Ar­tikel 5, Abs. 1 hinweisen möchte, in dem es wörtlich heißt: 

„Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in deren grund­legender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.“

Das heißt in aller Kürze: Wie die Länder ihre regionale und kommunale Verwaltung gestalten, ist rein Sache der Mitgliedstaaten und hat die Union nicht zu berühren.

Ein zweites mir wichtig Erscheinendes ist die Verankerung des Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprinzips in der Verfassung, wo es klar und deutlich heißt, dass die Union nur in jenen Bereichen tätig wird, die ihr entweder von den Mitgliedstaaten über­tragen wurden oder in denen weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene jene Ziele erreicht werden könnten, die die Union einfach besser verwirklichen kann.

In diesem Zusammenhang sehr wichtig – und eine Neuerung für uns – ist auch die ver­stärkte Einbeziehung der nationalen Parlamente und Regionen in die Politikgestaltung


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